© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    13/98 20. März 1998

 
 
Parteien: "Offenbacher Aufruf" entzweit die Sozialdemokraten
Eintopf mit Moralismus
von Werner Olles

Mut für eine andere Politik" haben Vertreter verschiedener linker Offenbacher Organisationen in einem jüngst veröffentlichten "Offenbacher Aufruf" gefordert. Sprecher dieser Initiative ist der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Manfred Coppik, der später zu den "Demokratischen Sozialisten" wechselte, inzwischen aber wieder bei den Sozialdemokraten gelandet ist.

Unterstützt wird dieses Bündnis, das auch als "Unterstützerkreis der Erfurter Erklärung" firmiert, außerdem von führenden lokalen Gewerkschaftsfunktionären wie den Bevollmächtigen der IG-Metall Werner Dreibus und Theo Beez, der ÖTV-Geschäftsführerin Rosi Haus, PDS-Funktionär Helmut Usinger und diversen Schülervertretern und Mitgliedern der Evangelischen Kirche.

Auf wenig Gegenliebe stieß der "Offenbacher Aufruf" dagegen bei der Parteiführung der SPD, deren Vorsitzender Stephan Wildhirt die PDS-Einbindung des "Aufrufs" eher kritisch sieht. Da jedoch auch Coppik dem Offenbacher Parteivorstand angehört und zudem auch mehrere andere SPD-Stadtverordnete den Aufruf unterschrieben haben, sind weitere Konflikte vorprogrammiert.

Coppik und Dreibus halten eine Mitarbeit von PDS-Mitgliedern keineswegs für problematisch, da es sich um ein "Personenbündnis" handele, das ein "breites bürgerliches Spektrum" vertrete. Im Mittelpunkt stehe die Forderung nach "Überwindung der Massenarbeitslosigkeit". Dies gehe jedoch nur durch die Zusammenarbeit der "Oppositionskräfte", die einen "Wechsel der Politik in Deutschland" herbeiführen könne.

Der "Aufruf" plant in den nächsten Monaten eine Reihe von Veranstaltungen, unter anderem mit dem Thüringer DGB-Vorsitzenden Frank Spieth. Zwar lehnt der Offenbacher SPD-Vorsitzende Stephan Wildhirt die Initiative von Coppik ab, weil "für eine andere Politik die PDS nicht benötigt wird", dennoch wirbt das Bündnis mit tatkräftiger Unterstützung prominenter Offenbacher Sozialdemokraten in der Öffentlichkeit weiter für seine Vorstellungen von einer "Opposition, die den Wechsel mit allen Kräften will", und die sich von keinem "Nichtberührungsangebot" schrecken lassen will.

Tatsächlich handelt es sich bei dem "Offenbacher Aufruf" um die ersten zaghaften Ansätze eines Volksfrontbündnisses auf lokaler Ebene. Ähnliche Initiativen regen sich jedoch auch schon in der Nachbarstadt Frankfurt am Main, wo der frühere SPD-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Fred Gebhard jetzt aus der Partei austrat und auf Platz eins der PDS-Landesliste zu den Bundestagswahlen kandidiert, und wo der SPD-Politiker Diether Dehm den Traum einer links-sozialistisch/marxistischen Politik seit langem träumt. Bislang landete der Salon-Marxist Dehm bei Wahlen stets weit abgeschlagen hinter seiner Konkurrentin Erika Steinbach von der CDU. Zudem hat er auch noch in Joschka Fischer eine starke linke Konkurrenz.

Gewiß sind die Vordenker eines "Vereinigungsparteitages" zwischen SPD, PDS und anderen linksextremistischen Gruppierungen momentan noch eine kleine Minderheit in der Sozialdemokratie, aber ihre Therapievorschläge stoßen innerhalb der Linken durchaus auf fruchtbaren Boden. Mit ihrer eintopfmäßig ineinander geworfenen Mischung von Platitüden, Klischees,Gemeinplätzen und dünnem Moralismus könnte es ihnen gelingen, jenen Urtypus des linken Spießers zu mobilisieren und zu aktivieren, wie er sich jüngst in der französischen Volksfront-Regierung etablierte.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen