© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/98 27. März 1998

 
 
Appell an den Hedonismus
von Michael de Wet

Hatte die grüne Forderung nach einer Erhöhung des Benzinpreises auf fünf Mark der Partei eine Welle der Antipathie beschert, so brachte nun der Ruf, auch das Kerosin zu besteuern, das Faß zum Überlaufen. Die Empfehlung der fremdenverkehrspolitischen Sprecherin Halo Saibold, es würde reichen, wenn die Deutschen nur alle fünf Jahre eine Flugreise unternehmen, löste einen Aufschrei aus. Diesmal ging es nicht mehr um die soziale Komponente. Diesmal ging es um den als Selbstverständlichkeit empfundenen Luxus, mal eben übers Wochenende zum Relaxen auf die Kanaren oder zum Shopping nach Mailand jetten zu können.

Die Frage, ob es nicht das gute Recht einer – zumindest partiellen – Ökopartei ist, diese Forderung zu erheben, wurde erst gar nicht gestellt. Deshalb macht auch nicht die Forderung nach saftigen Spritpreisen die Partei unglaubwürdig, sondern deren schnelles Einlenken angesichts des ersten Widerstandes. Ein Wort des "Automannes" Schröder genügt offenbar, jeden zaghaften Profilierungsversuch abzubrechen, zumindest aber abzuschwächen.

Während die ökologische Steuerreform, als deren Bestandteil die Erhöhung der Mineralölpreise anzusehen ist, beim SPD-Kanzlerkandidaten unwirsch abgewiesen wird, entdecken "Vordenker" der Union derzeit eben dieses Thema. "Wir schlagen vor, den Ressourcenverbrauch, dort wo er anfällt, stärker als Steuergrundlage heranzuziehen", erklärte erst kürzlich der CSU-Landtagsabgeordnete Josef Göppel, Vorsitzender des Umweltarbeitskreises seiner Partei. Deshalb solle der Benzinpreis nach einer "angemessenen Ankündigungsfrist" über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren um jährlich fünf Prozent angehoben werden. Auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Schäuble hatte vor demselben Arbeitskreis die Forderung nach Besteuerung des Energieverbrauchs erhoben und sie später in einer Grundsatzrede auf dem CDU-Bundesparteitag bekräftigt. Und der dezidiert konservative Vordenker Günter Rohrmoser erklärte auf einem Kongreß der Unabhängigen Ökologen, er halte eine schrittweise Anhebung der Benzinpreise für eine "zweifellos sinnvolle Maßnahme".

Die CDU/CSU präsentiert sich in bizarrer Zerrissenheit: Während die einen ökologische Steuermodelle diskutieren, postiert sich Generalsekretär Peter Hintze an den Tankstellen, um mit einem Appell an atavistische Gefühle Wahlkampf zu treiben. Die Union, die noch vor 16 Jahren von einer konservativen Wende schwadronierte, spekuliert heute auf Egoisten, Materialisten und Hedonisten. Nach der Personalisierung der Wahlkämpfe im Stil amerikanischer Präsidentschaftskandidaturen nun also ein Formel-Null-Rennen zwischen schwarzen und roten Auslaufmodellen?


 
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