© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/98 27. März 1998

 
 
Niederösterreich: Erwin Pröll konnte die Mehrheit im schwarzen Kernland halten
Die Freiheitlichen legen zu
von Gerhard Sailer

Noch am Wahlabend zeigte der "Österreichische Rotfunk", wes Geistes Kind er ist, drehten sich doch die meisten Kommentare zum Traumergebnis der Niederösterreichischen Freiheitlichen um die Tatsache, daß die Blauen gegenüber der letzten Landtagswahl 1993 "nur" einen Zuwachs von 12 auf 16,1 Prozentpunkte erzielten und damit unter jenen 20 Prozent blieben, für deren Erreichen Jörg Haider dem niederösterreichischen Landespartei- und Klubchef Bernhard Gratzer einen roten Porsche versprochen hatte. Umso mehr bejubelten die Medien erwartungsgemäß das "sensationelle Ergebnis" der Grünen, die von 3,2 auf 4,5 Prozent zulegten, was angesichts des nahezu Verschwindens der Liberalen (2,1 gegenüber bisher 5,1 Prozent) aber keineswegs überrascht, speisen sich doch beide Linksparteien aus dem gleichen Wählerreservoir. Die Grünen konnten nicht einemal die Hälfte jener Wähler auffangen, die den ähnlich positionierten Liberalen anhanden gekommen waren.

Der durch seine maßlose Überheblichkeit weitum bekannte Landeshauptmann Pröll kam mit seiner Persönlichkeitswerbung, die ihn auf Großplakaten mit hoch erhobenem Kopf visionär über die Lande blicken ließ, bei einer autoritätsgläubigen Bevölkerung offenbar gut an.

Daß dieser Stil bis aufs Haar den Huldigungsplakaten auf die "Führer" Ceausescu und Kim-Il-Sung in Rumänien und Nordkorea entsprach, fiel scheinbar niemandem auf. Nur die Burgschleinitzer, in deren Gemeinde sich Herr Pröll seine vulgären und drohenden Ausfälle gegen einen politik-kritischen Pfarrer leistete, bekam er mit fast minus 10 Prozent die verdiente Ohrfeige, während er landesweit um 0,6 Prozentpunkte zulegte, was einem Zuwachs von 1,3 Prozent entspricht. Wenn man dies mit den 33prozentigen Zuwächsen der Freiheitlichen und den 40prozentigen der Grünen vergleicht, bleibt unerfindlich, warum Herr Pröll in den Medien als der große Triumphator präsentiert wird.

Sachlich hatte Pröll außer einer Anti-Semmering-Polemik nichts zu bieten. In der Frage der arbeitsplatzvernichtenden Osterweiterung der Europäischen Union folgt er der allgemeinen Pro-Erweiterungslinie seiner Volkspartei, in der Frage der fortdauernden Ausländer-Massenzuwanderung ist noch sein plakativ getragenes T-Shirt "Auch ich bin Ausländer" in Erinnerung und in der Sozialpolitik wies er sich durch die Abschaffung der Gratis-Kindergärten als "Freund" der Familien aus.

Grund zu ungetrübter Hochstimmung wäre aber auch bei den Freiheitlichen fehl am Platz, denn in einigen niederösterreichischen Bezirken stellten eitle Funktionäre ihre persönliche Geltungssucht vor das Gemeinsame: In Klosterneuburg sabotierte der FPÖ-Ortshäuptling die Mitarbeit im Wahlkampf, weil er zuvor keinen sicheren Landtagslistenplatz erhielt und im Bezirk Baden mußte sich die Spitzenkandidatin auf den Plakaten zwischen zwei anderen, für die Landtagswahl völlig irrelevanten Funktionären abbilden lassen, weil auch diese sich vor den Augen der Passanten produzieren wollten. Anderswo schalteten Abgeordnete auf todsicheren Listenplätzen teure, großformatige Zeitungsinserate mit ihrem Portrait, mit denen keine einzige zusätzliche FPÖ-Stimme bewegt werden konnte und die nur der Selbstdarstellung dienten.

Haiders noch gar nicht solange zurückliegende Kritik an selbstgefälligen Funktionären der zweiten und dritten Garnitur war also nicht unberechtigt.

Gänzlich unbetroffen hiervon kann sich guten Gewissens die niederösterreichische FPÖ-Parteispitze um Bernhard Gratzer und Hans-Jörg-Schimanek fühlen, die im Wahlkampf ihr Äußerstes gaben und monatelang rund um die Uhr präsent waren.

Ganz besonders verdient waren daher die satten sechs Prozentpunkte, die Landesrat Schimanek in seiner Heimatgemeinde Langenlois zulegte und die nicht zuletzt belegen, daß es beim Wahlvolk keineswegs schadet, von einer linken Medienmeute als "rechtsextrem" angepatzt zu werden, wie es Hans-Jörg-Senior wegen seines Junior widerfuhr.


 
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