© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/98 10. April 1998

 
 
Medienlandschaft: Deutsche Konzerne kaufen alpenländische Medien
Die neuen Kolonialherren in Österreich
von Andreas Mölzer

Die Exportbilanz der Republik Österreich sieht nicht besonders beeindruckend aus. Gut war das Land aber immer im Export von Gehirnschmalz, in der Außer-Landes-Bringung kluger Köpfe. Daran liegt es wohl auch, daß in der bundesdeutschen Medienlandschaft immer wieder Österreicher zu Macht und Einfluß kommen, gewissermaßen als austriakische Wunderwuzzis im Kommunikationsgeschäft gehandelt werden.

Helmut Thoma bei RTL, wiewohl er sich demnächst in den Aufsichtsrat des Senders zurückziehen wird, und sein designierter Nachfolger Gerhard Zeiler, bislang Generalintendant des ORF, sind Beispiele dafür. Aber auch die Tyrannei Sigrid Löfflers über das Feuilleton der Hamburger Zeit und das Hochjubeln von Michael Maier, jenes Kärntner Ministranten, der die Berliner Zeitung auf Weltstadtformat bringen möchte, beweisen dies. Maier wurde gar als Musilscher "Möglichkeitsmensch" stilisiert, was einmal mehr deutlich macht, daß man mit österreichischem Schmäh gerade im bundesdeutschen Mediengeschäft reüssieren kann. Insgesamt haben Österreicher, einzelne Persönlichkeiten, aber auch österreichische Medien selbst, immer wieder Großtaten mit Pioniercharakter vollbracht. So war etwa die Neue Freie Presse um die Jahrhundertwende so etwas wie die Times Mitteleuropas, mit Hunderten von Korrespondenten, einer Qualität und Strahlkraft sondergleichen. Zweifellos war der jüdische Anteil an dieser Neuen Freien Presse überaus groß, Tatsache war aber, daß sie das wohl bedeutendste Blatt deutscher Sprache zu ihrer Zeit war.

Ein anderes Beispiel ist die heutige Kronenzeitung. Sie stellt eine Art von Volksblatt dar, dem die Charakterisierung "Boulevard" längst nicht mehr gerecht wird. Überdies hat sie im Vergleich zur Einwohnerzahl Österreichs die weltweit größte Verbreitung zu verzeichnen.

Im Bereich der zeitgeistigen und seichten Radiosender war es Ö3, das man nun qualitativ keineswegs besonders schätzen muß, das aber zweifellos europaweit Vorbildcharakter für ähnliche Sendestationen hatte.

Und schließlich ist da die Zeitgeist-Illustrierte der Gebrüder Fellner, News, gedrucktes Trivialfernsehen darstellend, das zweifellos eine überaus erfolgreiche Aufbauleistung repräsentiert. Diese muß man als mediales Phänomen einfach zur Kenntnis nehmen, auch wenn man das Blatt von Stil und Inhalt und von seiner Einstellung zur Wahrheit her ablehnen muß.

Trotz all dieser Medienphänomene, mit denen Österreich aufzuwarten hat und derer es sich im internationalen Vergleich keineswegs schämen muß, ist das Land heute bestenfalls so etwas wie eine bundesdeutsche Medienkolonie. Als deutschsprachige Weltblätter gelten heute die Neue Zürcher Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung, und bereits in Berlin und Hamburg muß man einigermaßen findig sein, um die Presse, geschweige denn andere österreichische Gazetten überhaupt erwerben zu können.

Konkrete Schritte, das Repräsentationsblatt der Alpenrepublik, die Presse, wieder verstärkt auf den gesamten deutschsprachigen Markt zu bringen, sind bislang nicht erkennbar. Auch das Medienphänomen Kronenzeitung ist, mit Ausnahme eines Hamburger Versuchs, auf dem bundesdeutschen Markt nicht hervorgetreten. Umgekehrt jedoch ist die Westdeutsche Allgemeine Zeitungsverlagsgesellschaft (WAZ) bei der Mediaprint eingestiegen, wenn auch Hans Dichand sich die Dominanz über das eigene Blatt bewahren konnte. Und was den ORF betrifft, so ist unterdessen Radio wie Fernsehen österreichischer Provenienz, kaum mehr in den bayerischen Grenzgebieten zu empfangen, allenfalls noch über 3SAT.

Aber auch die Erfinder von News, die Gebrüder Fellner, wurden schlicht und einfach gekauft, haben nicht ihrerseits die Kraft gefunden, ihr Erfolgsrezept auf den großen deutschen Markt umzulegen. Es war nicht gerade die Portokasse, mit der Bertelsmann die Fellner-Brüder gekauft hat, aber für deutsche Verhältnisse doch ein Klacks. Nach dem Springer-Verlag und der WAZ-Gruppe hat nun ein weiterer bundesdeutscher Mega-Medienkonzern einen Fuß in der rot-weiß-roten Tür. Dazu kommt die Dominanz bundesdeutscher Privatsender im Bereich der elektronischen Medien. Der ORF nimmt sich, verglichen mit RTL, SAT1 und PRO7, ohnedies nur mehr wie ein Provinzsender aus.

Verkommt also Österreich tatsächlich zur bundesdeutschen Medienkolonie, die man eher wie ein unwichtiges Bundesland unter "ferner liefen" mitbetreut? Ohne jeden Zweifel hat der neue deutsche Medienimperialismus eine Eigendynamik erlangt, durch die Österreich ohne besondere Berücksichtigungen – ähnlich wie etwa die neuen Bundesländer – nach reinen Überlegungen des Marktes und der Gewinnmaximierung einbezogen wird. Kulturelle und sprachliche Nivellierung ist die Folge. Das Deutsch von RTL-Werbesendungen ersetzt österreichische Spracheigentümlichkeiten.

Die herkömmliche deutsche Kulturnation eines Schiller, Goethe und Grillparzer wird ersetzt durch eine "German speaking world", die als einigermaßen geschlossener Medienmarkt betrachtet wird. Vor der Globalisierung kommt für die Österreicher also die trivialkulturelle Mediengermanisierung. Eine eigenständige österreichische Kulturnation, unterschieden und abgegrenzt von der deutschen, ist damit mit Sicherheit nicht mehr feststellbar.


 
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