© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/98 10. April 1998

 
 
Südafrika: Intoleranz der Afrikanisten gefährdet burische Kultur an Schulen und Universitäten
Kein Beistand für die "bösen" Buren
von Manfred Verweyhen

Man reibt sich verwundert die Augen angesichts eines solchen Ausmaßes an Realitätsblindheit, wie es Bundespräsident Herzog, respektive seine Berater, während des Südafrikabesuches im März offenbarten. Vollmundig lobte Roman Herzog in seiner Rede vor Abgeordneten beider Kammern des Parlaments in Kapstadt das "Wunder Südafrika", sprich: die Entwicklung vom "unmenschlichen Apartheid-Staat" zu einer "Demokratie der vielen Rassen". Überhaupt sei Afrika heute, so meinte der deutsche Präsident in Waffenschmidtscher Naivität, ein "Kontinent der Hoffnung", auf dem es einen unübersehbaren "Aufbruch neuen Denkens" zu beobachten gebe und Demokratie wie Marktwirtschaft an Boden gewännen.

Was muß am Kap eigentlich noch alles passieren, damit das als Gegensatz zur verhaßten weißen Apartheidsära ideologisch überhöhte Traumbild des neuen, von den ANC-"Freiheitskämpfern" beherrschten Südafrikas einer nüchternen politischen Bewertung weicht? Längst müßten die latente Kommunismus-Nostalgie der neuen Machthaber, die erschreckend hohe Kriminalitätsrate und nicht zuletzt der allgegenwärtige Rassismus unter neuen Vorzeichen genug Anlaß zum Umdenken gegeben haben. Die seit 1995 nicht abreißende Kette von rassisch motivierten Gewalttaten an den südafrikanischen Schulen und Universitäten ist ein besonders schrilles Alarmzeichen. Doch da es sich bei den Opfern vielfach um die "bösen" Buren handelt, bleibt die Empörung in den westlichen Leitmedien weitgehend aus.

 

Die Geduld der Weißen von Vrÿburg ist am Ende

In diesem Jahr hat es bereits mindestens vier schwere Zusammenstöße zwischen schwarzen und weißen Schülern bzw. Studenten gegeben. Die Hintergründe der Auseinandersetzungen sind vielfältig, die Schlagwörter aber immer die gleichen: Die jungen Schwarzen behaupten, sie würden aus rassischen Gründen diskriminiert, und verüben Sachbeschädigungen, provozieren Messerstechereien und nehmen sogar Geiseln. Zuletzt kam es am 2. März an der Schule des in der Provinz Nordwest gelegenen Ortes Vrÿburg zu einer Massenschlägerei. Aus Mangel an faßbaren Rechtfertigungen sprach die von der Regierung eingesetzte, nur nominell unabhängige Human Rights Commission von einer mutmaßlichen "Vernachlässigung" der schwarzen Schüler.

Die Tatsache, daß weiße Mitschüler wie Lehrer aus deren Reihen bedroht worden waren, ein burisches Mädchen sexuell belästigt wurde und die Polizei am Vortag der Schlägerei drei entführte Lehrer aus der Gewalt schwarzer Schüler befreien mußte, ließ man gegenüber der Öffentlichkeit unter den Tisch fallen. Als die Geiselnahme dann aber zu einer wütenden Reaktion weißer Eltern und Schüler führte, bei der schwarze Schüler gewaltsam vom Schulgelände entfernt wurden, gingen auf die Buren die medialen Rassismuskeulen nieder.

Die weißen Eltern von Vrÿburg sind schockiert und lassen verlauten, daß ihrer Meinung nach 22jährige schwarze Elftkläßler nichts auf der afrikaanssprachigen Schule zu suchen hätten, zumal sie hauptsächlich mit dem Ziel der politischen Provokation dorthin kämen und den sozialen Frieden zerstörten.

An den rein schwarzen Schulen ist Gewalttätigkeit schon seit längerem ein großes Problem. Die Tageszeitung Citizen berichtete unlängst über den traurigen Rekord, daß in einer einzigen Schule im Township Kwa Thema im Osten Johannesburgs innerhalb der letzten zwei Jahre 30 Jugendliche durch Mitschüler ermordet wurden. Vergewaltigungen sind schon seit Mitte der 70er Jahre in den meisten schwarzen Schulen am Rande der südafrikanischen Großstädte keine Seltenheit mehr und werden inzwischen bei der Polizei kaum noch gemeldet, zumal diese den Untaten ziemlich gleichgültig gegenübersteht.

Nun, da die einst ethnisch diversifizierten Bildungsanstalten auf Geheiß des ANC für alle Volksgruppen geöffnet werden müssen, erreicht die Welle der Gewalt selbst die burische Provinz, und das Problem wird zusätzlich durch die "Rassismus-Komponente" verschärft. Für die Buren steht der Verlust der eigenen Sprache und Kultur auf dem Spiel, da die afrikaanssprachigen Institutionen infolge der Öffnung de facto in englischsprachige transformiert werden. An der Rand Afrikaanse Universiteit in Johannesburg ist dies auf Druck der jetzt mehrheitlich schwarzen Studentenschaft bereits geschehen.

 

Die Sorgen der Buren politisch ernst nehmen

Die Sorgen der Buren sollten endlich politisch ernst genommen werden. Doch statt dessen reagierte die Regierung auf den Fall Vrÿburg mit der Drohung gesetzlicher Maßnahmen gegen "reaktionäre und rassistische Elemente in der Bevölkerung". Gemeint waren die Weißen. Der Schulrat des Dorfes wurde aufgelöst, die Bildungsanstalt umgehend geschlossen und die im April anstehenden Ferien um einen Monat vorverlegt. Der "Bildungsguru" des ANC, Blade Nzimande, bekam vor zwei Wochen wegen dieser Massenschlägerei im Parlament einen regelrechten Wutanfall.

Der Hardliner Nzimande, der angesichts der offensichtlichen Unfähigkeit des nominellen Amtsinhabers Bengu als eigentlicher Bildungsminister gilt, ist wie nicht wenige andere, die im heutigen Südafrika an den Hebeln der Macht sitzen, Mitglied der Südafrikanischen Kommunistischen Partei (SACP). Der radikale Flügel innerhalb der ANC-SACP-Koalition gewinnt immer mehr an Einfluß und vermag insbesondere in Bildungsfragen die eigenen Auffassungen weitgehend durchzusetzen.

 

Dozenten sehen sich Nötigungen ausgesetzt

So sind die afrikaanssprachigen Universitäten zur Zielscheibe der Politik geworden, und der Anteil burischer Studenten an diesen Unis hat sich von knapp 90 Prozent im Jahre 1994 auf nur mehr 54 Prozent 1997 verringert. Im Zuge der viel zu schnell und zu weitgehend umgesetzten sogenannten "Transformation", also jener großangelegten "positiven Diskriminierung" schwarzer Dozenten und Studenten, kommt es zu massiven Einbrüchen des Bildungsniveaus und allgemeiner Instabilität.

Die Folgen dieses leichtfertigen Umgangs mit den einst so reichen intellektuellen Ressourcen des Landes (man denke nur an die berühmten südafrikanischen Herzchirurgen und Atomwissenschaftler) sind noch gar nicht abzuschätzen. Schon jetzt sehen sich Dozenten oft Nötigungen ausgesetzt, wenn ihre Notengebung nicht den Wünschen radikaler schwarzer Aktivisten entspricht. Auf einer der zahlreichen politischen Versammlungen meinte ein junger Akademiker unlängst an der Rand Afrikaanse Universiteit unter lautem Beifall: "Die Weißen haben Haare wie Hunde, stinken wie Hunde, wir sollten sie totschlagen wie Hunde!" Die Universitätsleitungen wagen es nur selten, gegen solche Verbalextremismen vorzugehen.

Am OFS Technikon in Bloemfontein mußten im Februar randalierende Studenten mit Polizeikräften vom Campus entfernt werden. Die schwarzen Studenten hatten behauptet, das Mensa-Essen sei ungenießbar und die Ursache dafür hänge direkt mit dem der gesamten Institution zugrunde liegenden "Rassismus" zusammen. Doch auch nachdem ein Inspektor des Gesundheitsamtes die Beschuldigung der "versuchten Vergiftung" als "absurd" zurückwies und der Rektor erklärte, daß weiße Studenten das gleiche Essen bekommen hätten, nahmen die Tumulte kein Ende.

 

Englische Sprache tritt an die Stelle des Afrikaans

Wie in Bloemfontein werden überall im Land immer öfter fadenscheinige Vorwände benutzt, um die "Afrikanisierung" noch schneller voranzutreiben. Nur wenige Schwarze stimmen in die Warnung des Politikwissenschaftlers Themba Somo vor einem akademischen Selbstmord ein. Die Masse hängt der aus den USA importierten Ideologie des Afrozentrismus an und hat sich im vergangenen Jahr massiv hinter das Programm "Curriculum 2005" gestellt. Dieses sieht die Implementierung eines neuen Bildungswesens auf der Basis "afrikanischer Prinzipien" vor – mit Musik im Klassenzimmer und mehr "sozialen Kontakten" anstelle des "eurozentristischen Leistungsprinzips".

Professor Burger von der Rand Afrikaanse Universiteit kommentierte resignierend: "Es treffen sich zwei inkompatible Weltanschauungen." Außerdem stellte sie fest, daß die Vernichtung von Bildungsstrukturen in der Zeit des "Befreiungskampfes" einen hohen Preis gefordert habe, und schätzte, daß 70 Prozent der schwarzen "Lehrer", die das neue System einführen sollen, selbst "faktisch Analphabeten sind oder teilweise analphabetische Eigenschaften haben". Nicht nur seien zwischen 1984 und 1994 insgesamt 1.700 Schulen durch ANC-Aktivisten mit der Parole "Befreiung vor Bildung" zerstört worden (allein 308 Schulen wurden niedergebrannt), sondern es sei darüber hinaus eine Generation von Lehrern herangewachsen, deren Wissen sich auf (den allerdings auch eurozentristischen) Karl Marx und auf Mao beschränke.

Für die Weißen Südafrikas, die ein in der abendländischen Kultur verwurzeltes Bildungssystem als Voraussetzung für die Entwicklung ihrer nachwachsenden Generationen erachten, bricht jetzt eine Welt zusammen. Wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder auf Privatschulen, und es ist inzwischen ratsam geworden, seine Sprößlinge schon kurz nach der Geburt anzumelden, da diese Schulen lange im voraus ausgebucht sind. Hinzu kommt, daß viele Kinder durch Heimschulprogramme auf dem westlichen Niveau gehalten werden. Andere, die sich solche Optionen nicht leisten können, werden allerdings – wie es sich in Vrÿburg gezeigt hat – um ihre Institutionen kämpfen.

Als Reaktion auf die gewandelten Formen des Rassismus im "Neuen Südafrika" werden unter den Buren die Rufe nach einem eigenen "Volksstaat" inzwischen wieder deutlich lauter. – Mit dem Appell des deutschen Bundespräsidenten an die junge Generation in Südafrika, das "Experiment der Weltgesellschaft als gedanklicher Vorreiter zu einem Erfolg" zu bringen, können die jungen Buren angesichts ihrer alltäglichen multikulturellen Erfahrungen herzlich wenig anfangen.


 
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