© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/98  08. Mai 1998

 
 
Freiheitliche: Hilmar Kabas über Zuwanderung und Staatsbürgerschaft, Integration und Assimilierung
"Nicht Kulturpessimismus ist angesagt"
von Andreas Mölzer

 

Herr Präsident, der Klubobmann der ÖVP, Andreas Khol, hat gesagt, die Staatsbürgerschaft sei ein kostbares Gut. Auch die Wiener Freiheitlichen stehen seit etwa zehn Jahren in einem stetigen Kampf gegen den Ausverkauf der Staatsbürgerschaft.

KABAS: Die Botschaft der Bundes-ÖVP haben wir wohl registriert. Und wenn’s so käme, wie Khol angedeutet hat, so wäre das durchaus in unserem Sinn. Aber was Schlögl jetzt vorgelegt hat, geht in Wirklichkeit wieder in Richtung einer weiteren Erleichterung des Zugangs zur österreichischen Staatsbürgerschaft. Das geht so weit, daß sogar für Kriminelle die Voraussetzungen zur Erlangung der Staatsbürgerschaft herabgesenkt werden.

"Wir fordern Kenntnisse in der deutschen Sprache"

 

Man hat den Eindruck, daß die zwei wesentlichen Regierungsexponenten, Schlögl und Khol, ihre Vorstellungen gegenüber der Bevölkerung als Verschärfung verkaufen wollen, de facto aber doch Dinge ins Auge fassen, die Erleichterungen bringen.

KABAS: Ja, das ist zweifellos so. Das, was Schlögl jetzt vorgelegt hat, ist im Resultat eine Erleichterung. Das ist keine Frage. Wir sagen nach wie vor, daß es zu keinem Ausverkauf der Staatsbürgerschaft kommen darf; wir sagen auch, daß die Wartefrist von zehn Jahren strikt eingehalten werden muß. Es darf auch nicht – wie es bis dato gehandhabt wurde, bei besonders berücksichtigungswürdigen Fällen – nach vier, fünf oder sechs Jahren eingebürgert werden. Wir haben neben den gewohnten Forderungen wie der zehnjährigen Wartefrist, dem Nachweis eines ordentlichen Lebenswandels und eines geregelten Einkommens gefordert, daß weitere Voraussetzungen erfüllt werden, wie da sind: Kenntnisse in der deutschen Sprache und der Landesgeschichte.

 

Oft heißt es, man müsse die Staatsbürgerschaft rascher verleihen, um die Integration zu erleichtern. Wie sehen Sie das?

KABAS: Ich sehe das genau entgegengesetzt. Ich glaube, daß die Verleihung der Staatsbürgerschaft nur das Ende eines Prozesses sein kann und nicht als Instrument für die Integration oder Assimilation verwendet werden sollte, weil das ein falsches Instrument wäre. Der, der eingebürgert werden will, soll sich schon den hiesigen Verhältnissen angepaßt haben, soll schon die deutsche Sprache so sprechen, daß er keine Schwierigkeiten mehr hat. Wir fordern eine Prüfung bei der Einbürgerung, ob der Staatsbürgerschaftsbewerber in die österreichischen Verhältnisse eingegliedert ist und mit den österreichischen Lebensgewohnheiten und Gebräuchen vertraut ist. Es ist zu spät, wenn er bereits Staatsbürger ist und der Betreffende sich gar nicht der österreichischen Kultur anpassen will. Dann kann man weder von Assimilation noch von Integration sprechen.

 

Im Luegerschen Wien und im Wien der Sozialdemokratie der Zwischenkriegszeit, das immer zitiert wird als Beispiel für eine Zuwanderungsstadt, hat man doch immer explizit die Wahrung des deutschen Charakters gefordert. Die ehemaligen Christlich-Sozialen und die ehemaligen Sozialdemokraten haben doch bewußt Assimilation – im ganz harten Sinne: wer Wiener werden wollte, mußte quasi Deutscher werden – betrieben.

KABAS: Sie haben vollkommen recht. Wenn die Monarchie immer als Kronzeuge dafür angerufen wurde, wie weltoffen Wien doch immer war und wie ohne weiteres das alles verkraftet werden konnte, ist das erlogen und erstunken. Abgesehen davon, daß es eine solche Einwanderungswelle, wie wir sie zwischen 1989 und 1994 in Wien zu verzeichnen hatten, nie annähernd in der Monarchie gegeben hat. Noch dazu ist damals beinhart assimiliert worden. Die Fremden lebten und arbeiteten unter elenden Bedingungen. Sie wohnten in Ghettos, die sich in wenigen Bezirken am Rande von Wien befanden. Auch im Ghetto wurden ihnen keinerlei kulturelle Eigenständigkeiten zugebilligt. Tschechen, die nicht assimilierungswillig waren, wurden vom damaligen Bürgermeister Lueger als Störfaktor wütend bekämpft. Dazu muß man sagen, daß diese aus einem ähnlichen Kulturkreis, aus dem gleichen Staat – eben aus der Monarchie – stammten. Wer um Bürgerrechte ansuchte, mußte mit Eid bezeugen, daß er den deutschen Charakter der Stadt nach Kräften aufrechterhalten wolle.

 

Was bedeutet es denn, wenn man sagt, kulturelle Integration soll vollzogen sein, um dann die Staatsbürgerschaft zu erlangen? Nun heißt es, daß die Sprache beherrscht werden soll. Wie stellen Sie sich denn vor, daß man das vollziehen und kontrollieren kann?

KABAS: Ganz einfach. Jeder Schüler weiß, wie eine Prüfung vor sich geht. Anläßlich der Bewerbung bzw. dann, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind oder erfüllt zu sein scheinen, sind die Antragsteller einer Beurteilung in Form einer Prüfung zu unterziehen. Dieses Geschwafel, die sollen schon die Sprache können, aber das dürfte doch nicht mittels einer Prüfung festgestellt werden... Denn es geht darum, daß eine echte, reale Integration stattfindet – wobei ich weitergehe und von Assimilation spreche – und vollzogen ist, und nicht, daß nur irgendwelche formalen Kriterien vorhanden zu sein haben.

 

Jetzt sprechen Sie bewußt immer wieder weitergehend über die Integration hinaus von Assimilation. Gibt es Ihres Erachtens nicht-assimilierbare Zuwanderer?

KABAS: Ich glaube, daß manche, die ins Land hereingeholt wurden, sich nicht wirklich einfügen wollen. Es gibt Menschen, die ihre herkömmliche Kultur, von wo auch immer sie kommen, einfach nicht aufgeben wollen. Da gebe ich auch der verfehlten Wohnungspolitik die Schuld, die es möglich machte, daß es in Billigstquartieren zu einer Konzentration von Angehörigen bestimmter Völker gekommen ist.

 

Aber sogar Frau Knoll hat jetzt gesagt, daß man die Ghettoisierung und Massierung auf einzelne Bezirke bekämpfen muß. Reicht es der Wiener FPÖ, daß man die Fremden nur besser aufteilt?

KABAS: Nein, sicher nicht. Denn erstens schau ich mir an, wie sie die besser aufteilen wollen. Es würde einerseits eines sehr hohen Mitteleinsatzes bedürfen und zweitens, wie wollen sie denn das ausführen? Wollen sie die Menschen aus bestimmten Bezirksteilen zwangsaussiedeln, wo es in Wien Bezirke gibt, in denen die Ausländer schon einen Anteil von weit über 50 Prozent darstellen? Allein aus dieser Entwicklung heraus ist das nicht durchführbar. Das Problem ist einfach, daß man in zu kurzer Zeit zu viele Ausländer ins Land geholt hat. Selbst Viktor Klima hat bei seinem Amtsantritt als Bundeskanzler zugegeben: "Wir Sozialdemokraten haben schwere Fehler in der Ausländerpolitik gemacht, weil wir zu viele, billige Arbeitskräfte nach Österreich hereingeholt haben."

 

Sie meinen, die SPÖ hätte sich ein neues Subproletariat mehr oder weniger bewußt geschaffen, um in den Ausländern ein Wählerpotential zu schaffen?

KABAS: Es trifft in dieser Formulierung genau zu, was wir schon immer als Verdacht hatten. Wenn Sie sich an die Proklamation der Gemeinde Wien aus dem Jahr 1989 zurückerinnern, wollten sie eben so schnell wie möglich einbürgern, weil im Jahr 1989 bzw. 1990 klar war, daß das Wahlrecht für Ausländer doch nicht so schnell durchgeführt werden kann. Alle anderen Parteien waren für das Ausländer-Wahlrecht bei allgemeinen Wahlen. Wir waren die einzigen, die dagegen waren und dabei in Koalition mit den Bürgern, denn die Bürger wollten es auch nicht.

"Die Zahl der Ausländer stellt ein Problem dar"

 

Haben die Wähler die Wiener Freiheitlichen allein wegen dieser ausländerkritischen Haltung gestärkt?

KABAS: Allein durch unsere präzisen Vorstellungen zur Ausländerpolitik haben wir Druck erzeugt, daß nicht alles durchgegangen ist, was sich die Multi-Kulti-Anhänger vorgestellt haben. Nun stellt die hohe Zahl an Ausländern das Problem dar, und zwar vor allem der Anteil an illegal in Österreich lebenden Ausländern. Das Ziel wäre es, die Quantität an illegalen und kriminellen Ausländern konsequent zu senken, indem man sie abschiebt. Eminent wichtig ist auch ein Einwanderungsstop. Jetzt scheint die Quotenregelung relativ gering, doch im Laufe von zehn Jahren ist die Zahl der Einwanderer sehr hoch. Und auch der Familiennachzug ist ein Problem.

 

Hand aufs Herz, können Sie den Wienern guten Gewissens sagen, jawohl, wenn wir stärkste Partei werden, dann besteht eine Chance, daß der sprachlich-kulturelle deutsche Charakter Wiens erhalten bleibt?

KABAS: Ziel ist es, diesen Charakter der Stadt zu retten. Nicht Kulturpessimismus ist angesagt, sondern Optimismus. Es ist noch nicht zu spät. Wir wollen keine Zustände, die eine echte Verzerrung des historischen Werdeganges unseres Landes, unserer Bevölkerung wären. Daher ist es ein Wettlauf mit der Zeit, aber es liegt auch und vor allem in der Hand des Wählers.


 
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