© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/98 15. Mai 1998

 
 
Expo 2000: Die Vorbereitungen für die Weltausstellung laufen auf Hochtouren
Hannover ist eine einzige Baustelle
von Rüdiger Ruhnau

Die letzte und heiße Phase der Vorbereitungen für die Weltausstellung in Hannover hat begonnen. Fünf Monate lang – vom 1. Juni bis 31. Oktober 2000 – wird die niedersächsische Landeshauptstadt im Blickpunkt der Weltöffentlichkeit stehen. Aus mehreren Gründen ist das eine unglaubliche Herausforderung für die Bundesrepublik Deutschland. Obwohl es seit dem Jahre 1851 bereits 27 Weltausstellungen gegeben hat, ist unser Land zum ersten Mal Schauplatz eines derartigen Ereignisses. Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung bietet sich die Expo 2000 als einzigartige Chance an, in einer umfassenden Werbekampagne den Standort Deutschland weltweit positiv darzustellen.

Das Jahr 2000 ist symbolträchtig. Für die meisten Menschen ist das Übertreten der Schwelle zum 3. Jahrtausend eine Art Zeitenwende, sie suchen eine Zukunftsvision. Mit dem Leitthema "Mensch – Natur – Technik" stellt sich die Weltausstellung in Hannover in den Dienst einer Neuorientierung über die globalen Lebens- und Entwicklungsbedingungen. Eine inhaltliche Leitlinie für die konkreten Ausstellungsprojekte bildet die Agenda 21, das auf der ersten Weltkonferenz für Umwelt und Entwicklung verabschiedete Handlungsprogramm für das 21. Jahrhundert. Hierin verpflichteten sich 1992 in Rio de Janeiro 179 Staaten auf das Prinzip der "Nachhaltigen Entwicklung". Das nicht gerade griffige Schlagwort ist gleichbedeutend mit ökologischem, ressourcenschonendem Wirtschaften, damit auch späteren Generationen die Lebensgrundlagen gesichert bleiben. Die Expo 2000 soll zeigen, wie die Agenda 21 praktisch umgesetzt werden kann.

Immer mehr Industriebetriebe haben die Wichtigkeit erkannt, ökonomische Zwänge mit ökologischen Erfordernissen in Einklang zu bringen und konzentrieren ihre Forschungsaktivitäten auf neue Lösungen beim Energiesparen. So könnte beispielsweise der Benzinverbrauch bei Autofahrten um fünf Prozent verringert werden, wenn es gelänge, den Rollwiderstand der Autoreifen zu senken. Jeder Reifen enthält ca. 25 Prozent Ruß als Verstärkerfüllstoff. Ersetzt man Ruß durch den Füllstoff Kieselsäure, dann tritt beim "Leichtlauf-Reifen" der gewünschte Effekt ein. Nicht nur die Industrie, auch der Staat steht in der Verantwortung der "Nachhaltigen Entwicklung". Hier muß sich die Bundesrepublik fragen lassen, warum sie ein ressourcenschonendes Verhalten negiert, zum Beispiel bei dem nicht nachwachsenden Rohstoff Uran. Die Endlagerung abgebrannter Kernbrennstäbe in Castorbehältern widerspricht einer effektiven Nutzung der Rohstoffe und damit einer Schonung der Ressourcen. Die Entsorgung über eine Wiederaufarbeitung der Brennstäbe dagegen würde späteren Generationen die Energiefrage erleichtern.

Eines steht schon heute fest, die Expo 2000 wird drei Milliarden Mark kosten, ohne daß der Steuerzahler angeblich eine Mark dazulegen soll, denn die Organisatoren haben die erwarteten Gesamteinnahmen auf 3,039 Milliarden Mark festgelegt. Zur Vorbereitung und Durchführung der Weltausstellung ist die "Expo 2000 Hannover GmbH" gegründet worden. Gesellschafter sind mit 40 Prozent der Bund, mit 30 Prozent Niedersachsen und mit 20 Prozent die Expo-Beteiligungsgesellschaft der Deutschen Wirtschaft. Der Rest entfällt auf Hannover.

Die Pavillons gelten als Visitenkarten der Nationen

Durch staatliche Bürgschaften in Höhe von einer Milliarde Mark wird die Finanzierung der Expo gesichert, weil mit Einnahmen wohl erst im Jahre 2000 gerechnet werden kann. Generalkommissarin und Geschäftsführerin der Expo, Birgit Breuel, rechnet mit mindestens 40 Millionen verkauften Eintrittskarten, deren jede einzelne den stolzen Preis von 69 Mark kosten soll. Die Betreibergesellschaft hat mit der Bertelsmann Industrie AG einen Vertrag geschlossen, der vorsieht, daß Bertelsmann drei offizielle Publikationen der Weltausstellung produziert und verlegt, darunter den Hauptkatalog. Dafür zahlt der Medienkonzern zehn Millionen Mark und erhält die Weltrechte für die Publikationen sowie das Recht, das Expo-Logo international zu nutzen. Das leicht kindisch wirkende Maskottchen der Expo namens "Twipsy" stammt von dem spanischen Graphikdesigner Mariscal. Die Einnahmen aus den Beiträgen und von Sponsoren veranschlagen die Ausstellungsmacher mit rund 800 Millionen Mark. Eine Reihe von Globalplayern haben bereits Zusagen erteilt, darunter Siemens Nixdorf und die Deutsche Telekom. Mehr als 30 international renommierte Experten, aufgeteilt in Fachbeirat, Kuratorium und Kulturbeirat, werden die Expo 2000 beraten und ihr ein weltweites Echo sichern helfen. Als Chef des Expo-Aufsichtsrats fungiert der ehemalige Daimler-Benz-Manager Helmut Werner.

745 Tage vor der Eröffnung der ersten Weltausstellung auf deutschem Boden ist Hannover eine einzige große Baustelle, an 280 Stellen wird gegraben und gepflanzt. Auf dem Expo-Bahnhof in Laatzen, nahe dem Ausstellungsgelände, sollen im Jahr 2000 täglich enorm viele Züge einlaufen. Die Autobahnen rund um Hannover werden sechsspurig ausgebaut, der Bau einer neuen Stadtbahnlinie kommt zügig voran, auch der Flughafen wird erweitert. Ob allerdings die 25.000 Parkplätze im Ausstellungsbereich ausreichen werden, ist fraglich.

Das 170 Hektar große Weltausstellungsgelände, zum großen Teil identisch mit dem bereits bestehenden Messeareal, bietet Platz genug für die 160 Staaten und internationalen Organisationen, die sich für das Superereignis angemeldet haben. Mittelpunkt und Drehscheibe der Weltausstellung wird die Expo-Plaza mit der Veranstaltungsarena und dem Deutschen Pavillon sein, für den ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben wurde. Die Pavillons der Nationen gelten als Visitenkarten ihrer Hausherren. 1929 in Barcelona schuf der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe mit dem Deutschen Pavillon ein Meisterwerk. Acht Jahre später auf der Pariser Weltausstellung zeigte Konrad Zuse im Deutschen Turm-Pavillon den ersten Computer der Welt. Staaten, die keinen eigenen Pavillon bauen wollen, können Plätze in den großen Hallen mieten, erwünscht ist das Ausstellen von Ideen und Visionen für das 21. Jahrhundert.

Das Leitthema für Hannover 2000 ("Mensch –Natur – Technik") soll durch einen besonderen Ausstellungsteil, den Themenpark, hervorgehoben werden. Von diesem Kernstück der Expo erwartet man über nationale Grenzen hinweg, einen verantwortungsvollen Blick auf die globalen Herausforderungen der Zukunft. So sollen bespielsweise in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für Aeronomie Live-Bilder von der zweiten Marsmission gezeigt werden, die 1999 gestartet wird, für die das Institut zwei Stereokameras mitentwickelt hat.

Der Transrapid zählt zu den weltweiten Projekten

Die Expo 2000 in Hannover ist die erste Weltausstellung, die sich nicht auf ein zentrales Gelände beschränkt. Erstmals werden Exponate auch an dezentralen Standorten vorgestellt. Bei diesen "weltweiten Projekten" geht es um reale Vorhaben, die beweisen, daß neue Ideen schon aktiv in die Praxis umgesetzt werden. Eine ganze Anzahl solcher Projekte sind schon ausgewählt. In Deutschland ist von der Expo die Magnetschwebebahn Transrapid als offizielles "weltweites Projekt" registriert worden. Der Transrapid verbraucht bei einer Geschwindigkeit von 400 bis 500 Kilometern in der Stunde weniger Energie als langsamere Züge der Bundesbahn. In Sachsen-Anhalt soll im Gebiet Dessau-Bitterfeld ein "Korrespondenzstandort" der Expo entstehen. Um die ausgedienten Großbagger der Braunkohlegruben zu erhalten, plant man den Zusammenbau zu einer gigantischen Stahlskulptur "Ferropolis".

Die Expo 2000 wird fünf Monate im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen, hoffentlich weiß Gastgeber Deutschland seinen Heimvorteil zu nutzen.


 
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