© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/98 22. Mai 1998

 
 
Landwirtschaft: Der Aufstieg der Firma Monsanto zu einem Biotechnologischen-Giganten
Eine neue Form der Sklaverei
von Gerhard Quast

Weltweit wurden bis heute mehr als 40 Nutzpflanzen gentechnisch verändert. Die erste Zulassung erhielt im Mai 1994 in den USA die Anti-Matsch-Tomate "Flavr Savr". Bei dieser Labor-Kreation des US-amerikanischen Konzerns Calgene wurde die Produktion des Poly-Galacturonase-Enzyms verlangsamt, so daß die Tomate länger fest bleibt.

Neben der Tomate mit Reifeverzögerung sind in den USA außerdem herbizidresistente Sojabohnen, insektenresistenter Mais, herbizidresistenter Raps, virusresistente Zucchini, genmanipulierte Baumwolle, insektenresistente Kartoffeln sowie mehrere Sorten Raps im Anbau, die Herbizidresistenzen oder veränderte Fettsäuren aufweisen.

In der EU wurde erstmals 1995 der Anbau genmanipulierter Pflanzen genehmigt. Den Zuschlag bekam die französische Firma Seita für eine Tabaksorte mit Herbizidresistenz. Bereits 1996 wurden drei Pflanzen für den Anbau genehmigt: Tomaten der britischen Zeneca, Raps der belgischen PGS und Radicchio der holländischen Bejo Zaaden.

Der Genehmigung vorgeschaltet ist in fast allen Ländern der Welt ein unter kontrollierten Bedingungen durchgeführter Anbau im Freiland. In diesem Freilandversuch sollen gentechnisch veränderte Nutzpflanzen auf ihre landwirtschaftliche Tauglichkeit geprüft werden. Der weltweit erste Versuch fand 1986 in den USA statt. In Deutschland wurde die erste landwirtschaftliche Nutzpflanze – Zuckerrüben mit Resistenz gegen die "Wurzelbärtigkeit" – im April 1993 freigesetzt. Allein zwischen 1986 und 1995 haben weltweit 3.647 solcher Versuche stattgefunden, über die Hälfte allein in den USA (siehe JF-Grafik). In Deutschland wurden bis April 1998 vom Robert-Koch-Institut in Berlin 79 Anträge auf Freisetzungen genehmigt.

Anhand der weltweit erfolgten Freilandversuche kann man bereits heute sehen, welche multinationalen Konzerne in Zukunft die Nase vorne haben werden: die Schweizer Firma Novartis, die deutsche AgrEvo, Konzerne wie Asgrow/Upjohn, Pioneer HiBred und nicht zu vergessen der US-amerikanische Biotechnologie-Gigant Monsanto.

Dieser milliardenschwere "Life-Sciences"-Konzern ist von den Gentechnik-Gegner inzwischen zum Hauptfeind erkoren worden. Denn keines der tonangebenden Unternehmen sei "so aggressiv im Markt wie Monsanto", schreibt Olaf Preuss im Greenpeace Magazin. Begründet wird dieses harsche Urteil mit der offensiven Übernahmepolitik seit dem Amtsantritt von Firmenleiter Robert Shapiro im Jahre 1995. So gehört das US-Unternehmen Calgene mit dem Patent für die erste Anti-Matsch-Tomate inzwischen ebenso zu Monsanto wie der bedeutende Saatguthersteller Holdens. Unter den Fittichen des 59jährigen ehemaligen Rechtsanwalt ist inzwischen auch die Firma Agracetus, die wichtige Patente für gentechnische Manipulationen an Baumwolle und Soja besitzt. Den wohl größten Coup landete Monsanto mit der Übernahme der brasilianischen Firma "Agro ceres seeds", die zu den größten Saatgutproduzenten Südamerikas zählt und zudem Zugriff auf den Gen-Pool tropischer Agrarpflanzen besitzt. Mittlerweile soll Monsanto mehr Patente besitzen als die Konkurrenz.

Das Tempo, mit dem Monsanto sich derzeit vergrößert, hat nach Ansicht Preuss’ einen recht einleuchtenden Grund: Das Patent für den Roundup-Wirkstoff Glyphosat läuft im Jahr 2000 aus. Mit dem bis heute weltweit erfolgreichsten Totalherbizid erwirtschaftete der Konzern zuletzt die Hälfte seines Gewinns. Dieser betrug 1996 bei einem Gesamtumsatz von 9,3 Milliarden rund 385 Millionen Dollar.

Der 1901 gegründete und heute in St. Louis im Bundesstaat Missouri ansässige ehemalige Chemiebetrieb hat Niederlassungen in mehr als 100 Ländern. 1995 hatte der Konzern weltweit 28.000 Mitarbeiter. In Europa erwirtschaften rund 6.000 Angestellte etwa 20 Prozent des Weltumsatzes. Monsanto Deutschland (Sitz: Düsseldorf) hat fünf Freisetzungsversuche an 17 Standorten genehmigt bekommen. Schwerpunkt ist Vorpommern, Franken und Niedersachsen.

Bereits vor 1996 wurde der überwiegende Teil aller Freisetzungen in der Dritten Welt von einigen wenigen Konzernen durchgeführt. An erster Stelle stand Monsanto, gefolgt von Calgene, Asgrow, Pioneer, Ciba Geigy und AgrEvo. Inzwischen dürfte sich dieser Trend erheblich verstärkt haben, da sich der Konzern seit 1997 zunehmend auf den Bereich der Landwirtschaft konzentriert. Allein mit den "Labor-Geschöpfen" will der sich langsam zum Gentechnik-Spitzenreiter mausernde Konzern 1998 einen Jahresumsatz von sechs Milliarden erwirtschaften. Deshalb wird ein Großteil der Einnahmen wieder in die Forschung gesteckt, in diesem Jahr über 1,5 Milliarden Dollar.

Auch die Vermarktungspolitik hat sich unter Shapiro – dem mit einem Jahresverdienst von 24 Millionen US-Dollar bestbezahltesten Manager der Welt – verändert und ist ganz offensichtlich auf vollkommene Abhängigkeit der Bauern ausgerichtet: Während sich der Konzern früher damit zufriedengab, das gegen das hauseigene Herbizid resistente Saatgut ohne weitere Auflagen zu verkaufen, ist dieses nun lizenzpflichtig. Die Bauern müssen also das genmanipulierte Saatgut jedes Jahr von neuem erwerben. Und um sich zukünftig nicht mit Kontrollen zu verzetteln, hat der Konzern Saatgut so manipuliert, daß die angebauten Früchte nicht wieder als Saatgut brauchbar sind. Verwendet ein Bauer diese Sorte, erhält er zwar nach Aussagen Monsantos eine gute Ernte, kann aber die unfruchtbaren Körner nicht nutzen. Das brachte jüngst selbst US-Bauern auf die Barrikaden.

Die Ankündigung Shapiros, die Welternährung mittels der Gentechnologie "revolutionieren" und das Hungerproblem beseitigen zu wollen, spricht der wahren Lage Hohn. In vielen Ländern der Dritten Welt, so die am Öko-Institut Freiburg für Gentechnik zuständige Molekularbiologin Beatrix Tappeser, seien die Menschen "darauf angewiesen, über den Nachbau jeweils ihr eigenes Saatgut produzieren zu können". Wenn das nicht mehr möglich sei, so Gentechnik-Kritiker, käme das einer neuen Form der Sklaverei gleich.


 
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