© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/98 29. Mai 1998

 
 
Wahlkampf: Unter Regie der CSU soll Protestpotential an die Union gebunden werden
Die rechte Karte spielen
von Dieter Stein

Der Wahlschock von Sachsen-Anhalt und der sensationelle Einzug der Rechts-Partei DVU in den Magdeburger Landtag sitzt den großen Parteien immer noch in den Knochen. Und es sieht nicht danach aus, daß dies nur die eine Schwalbe ist, die noch keinen "rechten" Sommer macht. Die Demoskopen melden konstant ein rechtes Stimmenpotential von bundesweit über fünf Prozent. Der Regierungskoalition könnten so am 27. September wenige, aber entscheidende Prozentpunkte fehlen, die sie zur Erlangung der Mehrheit benötigt.

Für die letzte Phase des Bundestagswahlkampfes entscheidend wird die Landtagswahl in Bayern am 13. September sein. Jeder deutliche Pendelschlag wird als Vorentscheidung für die Bundestagswahl angesehen werden.

Bayern ist das für die Unionsparteien stärkste Stammland. Bereits seit 1962 regiert die bayerische CSU unangefochten mit einer absoluten Mehrheit – seit 1970 mit den berühmten Wahlergebnissen "50 % plus X". Doch die – trotz ihres konservativen Wahlverhaltens – eigenwilligen bayerischen Wähler halten ihrem Landesvater Edmund Stoiber immer weniger die Treue. Die CSU ist in eine Zangenbewegung aus drei politischen Richtungen geraten:

• Erstmals scheint es den bayerischen Sozialdemokraten im Schröder-Aufwind zu gelingen, klar aus dem einstigen 20-Prozent-Ghetto auszubrechen. Nach aktuellen Umfragen kann die SPD von 30 Prozent (1994) auf 34 zulegen.

• Erstmals treten in Bayern die in den Kommunen sehr starken "Freien Wähler" an. Ihnen werden bei Umfragen derzeit 2 Prozent zugestanden.

• In Bayern treten die Republikaner (1994: 3,9 Prozent) und der Bund Freier Bürger an. Die DVU verzichtete unter Verweis auf den nationalen Kurs der CSU auf eine Wahlteilnahme. Wahrer Grund: das bayerische Wahlsystem verlangt eine aufwendige Vorbereitung. Es gibt zwar Erst- und Zweitstimme. Anders als sonst entscheidet in Bayern nicht die Landeslistenstimme über die Sitzverteilung, sondern die Quersumme aus Erst- und Zweitstimme. Wenn eine Partei nicht in der Lage ist, 108 Direktkandidaten aufzustellen, kann sie einpacken. Den Republikanern werden derzeit in Bayern vier Prozent bei Umfragen gegeben, der BFB wird demoskopisch nicht gemessen. Die CSU liegt bei 46 % (1994: 52,8 %), FDP 3 % (2,8 %), Grüne 5 % (6,1 %) und Sonstige 6 % (4,4 %).

Wenn es der CSU nicht gelingt, den Schröder-Trend der SPD zu stoppen und die Wählerflucht zu Freien Wählern und den Republikanern umzudrehen, dann ist sie ihre absolute Mehrheit im September los. Und psychologisch wäre der Wahlkampf im Bund entschieden, weil sich die CDU kaum vom Verlust des CSU-Stammlandes Bayern erholen könnte.

Womit versucht die CSU Boden gut zu machen? Auf ihrem Kleinen Parteitag in Ingolstadt am vergangenen Freitag wurden die politischen Eckpfosten eingeschlagen: Gegen die Schröder-SPD muß das bayerische Sonderbewußtsein mobilisiert werden. Die SPD gilt im katholischen Bayern eben immer noch überwiegend als protestantische fünfte Kolonne Preußens. Bezeichnend die Äußerung einer 60jährigen SPD-Anhängerin beim Wahlkampfauftritt des Kanzlerkandidaten in München: "In Bayern ist der Stoiber für uns schon richtig, aber in Bonn muß sich was ändern." Es kann also zum Phänomen kommen, daß für das Maximilianeum schwarz und für Bonn rot gewählt wird.

Den Protest aus der bürgerlichen Mitte und von rechts sollen nun nationale Korrekturen am äußeren Erscheinungsbild der CSU begrenzen. Unter Überschriften "Null Toleranz gegen Verbrechen", "Deutsche Interessen in Europa" und "Deutschland und Bayern sind kein Einwanderungsland" verabschiedeten die Delegierten ein Papier "Mit Bayern gewinnt Deutschland".

Die CSU hat bereits unter Franz Josef Strauß glänzend damit gelebt, daß sie in München lauthals opponierte, in Bonn aber sich treu einfügte. Nun trägt aber mit Theo Waigel der CSU-Chef auch noch die Verantwortung für die Durchsetzung des Euro – der gerade in Bayern mit allergrößter Skepsis und Ablehnung beäugt wird. Hier wird es der CSU schwer fallen, sich aus der Affäre zu ziehen. Ihr Bonner Kurs steht bei der Bayernwahl mit zur Abstimmung. Und da wird es für sie sehr eng.


 
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