© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/98 29. Mai 1998

 
 
Südafrika: Minister stört sich an unabhängiger Justiz
Überall "Rassismus"
von Manfred Verweyhen

In einem Land, das sich mit seiner Kriminalitätsstatistik als Weltmeister des Verbrechens ausweist, könnte man eigentlich erwarten, daß sich die Regierung zum Durchgreifen verpflichtet fühlt. Dies tut die südafrikanische ANC-Regierung auch – nur nicht gegen die Kriminellen.

Justizminister Dullah Omar stellte am 21. Mai in einer unerwarteten rhetorischen Attacke die "reaktionären" Richter des Landes an den Pranger und beschuldigte diese, noch mit "beiden Füßen in der Apartheidsära" stehengeblieben zu sein. Dieser Zustand soll sich nun in Kürze ändern, so der Minister, denn die Tatsache, daß einige ANC-Gegner nicht die erhofften Freiheitsstrafen aufgebrummt bekommen hätten, erfordere tiefe Eingriffe in das Justizsystem. Offenbar lag Dullah Omar auch der Fall des vor gut zwei Wochen freigesprochenen ehemaligen ANC-"Warlords" Sifiso Nkabinde schwer im Magen, der trotz 13 Anklagen wegen Mordes freigesprochen wurde. Dies allerdings nicht, weil die Richter ihn für unschuldig erachteten, sondern weil es noch nie zuvor in der Justizgeschichte Südafrikas vorgekommen war, daß ein Untersuchungsbeamter sich durch politischen Druck gezwungen sah, die Belastungszeugen – denen selbst einige Morde angelastet werden – an seinen Nachforschungen zu beteiligen. Es liegt auf der Hand, daß es den Machthabern in dem Prozeß darum ging, den schwarzen ANC-Renegaten Sifiso Nkabinde so hart wie möglich abzustrafen. Doch die weißen Richter mit ihren "rassistischen Einstellungen" erwiesen sich als unkooperativ.

Als "Rassismus" werden auch die Widerstände bei vielen Richtern deklariert, unqualifizierte Leute nur aufgrund ihrer ethnischen und parteipolitischen Zugehörigkeit (nämlich zum ANC) in Schlüsselpositionen des Justizapparates hineinzuhieven. Wie in der freien Wirtschaft sollen jetzt offenbar auch in der Justiz die institutionellen Bastionen ANC-kritischer Kreise zu Fall gebracht werden. Gerüchte, wonach auch die South African Reserve Bank, namentlich deren Chef Chris Stals, die totalen Machtambitionen des ANC zu spüren bekommen könnte, ließen den Rand und die Börse in Johannesburg bereits kräftig in Bewegung geraten.

In manchen Ländern, so etwa in Großbritannien, ist die enthusiastische Medienberichterstattung über das "Neue Südafrika" längst einer realistischeren Sichtweise gewichen. Dazu tragen nicht zuletzt solche Signale bei, wie sie Nelson Mandela Mitte des Monats ein weiteres Mal gesetzt hatte, als er sich während der Versammlung der Welthandelsorganisation (WTO) demonstrativ mit seinem "Freund" Fidel Castro traf und dessen marxistischen Parolen Beifall zollte.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen