© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/98 05. Juni 1998

 
 
Das Kalkül
von Peter Krause

Die aggressive Aufregung, mit der die linke und linksliberale Presse auf die "Rote-Hände"-Kampagne der CDU reagiert hat, verrät, daß die Sache nicht ganz so dumm sein kann, wie es die Häme weismachen möchte. Ein CDU-"Aufpassen!"-Plakat zeigt SPD und PDS verbunden durch jenen signifikanten Händedruck, mit dem der Sozialdemokrat Grotewohl und der Kommunist Pieck 1946 die Vereinigung der SPD und KPD zur SED besiegelten.

Was die "Rote-Socken"-Kampagne 1994 für das Wahlergebnis gebracht ist, ist unsicher. Hat sie die Spaltung des Landes befördert? Im Westen jedenfalls dürfte sie – vielleicht wahlentscheidende –Stimmen für die Union gesichert haben. Sicher bedeutet das Plakat eine Vergröberung der Geschichte, aber eine Lüge enthält es nicht. So sehr die Basis der SPD in der Ostzone durch Terror gefügig gemacht werden mußte, die Gremien der Sozialdemokratie in der SBZ stimmten der Vereinigung nicht nur zu, sie hatten den Vereinigungsprozeß gewünscht und forciert.

Das Plakat der CDU ist der Versuch, den Wahlkampf nochmals zu ideologisieren. Das mag anachronistisch sein, aber es ist keineswegs inhaltsleerer als das, was die anderen Parteien zu bieten haben. Und es steckt Kalkül dahinter. Denn selbst wenn die Hände-Allegorie im Osten Wähler zur PDS treibt, so sind das wohl kaum potentielle CDU-Anhänger. Im Gegenteil, ein gewisser Antikommunismus kommt dort immer noch gut an, er hat zuletzt wieder ehemalige DDR-Bürgerrechtler zum Eintritt in die CDU bewogen. Vielleicht also wird die PDS durch solche Plakate gestärkt, gewinnt Trotzige und Verärgerte. Aber warum sollte sich die Union daran stören? Gäbe es die PDS nicht, so müßte eine solche tabuisierte Partei erfunden werden, um die reale Mehrheit der Linken zu spalten. Politik besteht nicht nur in der Unterscheidung von Freund und Feind, sondern auch im Verhindern einer Befreundung verschiedener Feinde. Die SPD scheint in der Klemme. Denn wenn sie im Osten das Tabu bricht und die Nähe zur PDS sucht, dann wäre jener Fall geschaffen, der das Plakat im Westen plausibel und wirksam werden ließe.

Eine möglichst starke PDS also spielt im Kalkül Hintzes eine herausragende Rolle. Die Linke hat das gemerkt und versucht, die Strategie auf die einzig mögliche Weise zu durchkreuzen: ihre Adepten reden und schreiben die PDS salonfähig. Jens Jessen warf in einem ebenso haltlosen wie überzogenen Beitrag in der Berliner Zeitung der Union sogar einen Anschlag auf den Parlamentarismus vor, weil sie die demokratisch gewählte PDS von heute mit der KPD von 1946 vergleiche. Wer gewählt ist, ist koalitionsfähig! Der Verharmlosung der PDS ist im Gange.


 
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