© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/98 05. Juni 1998

 
 
Konflikt: Diskussion in der "Deutschland-Bewegung" um Kontakte Mechtersheimer-Frey
Ein Besuch in der Paosostraße
von Dieter Stein

Nach dem Wahlerfolg in Sachsen-Anhalt bemüht sich der Münchner Verleger der National-Zeitung, Gerhard Frey, nach der Zusage von Franz Schönhuber weitere bekanntere Namen für seine Wahllisten zu gewinnen. Laut Schönhuber stehen die Interessenten Schlange in der Münchner Paosostraße, der Adresse des Immobilienmillionärs Frey, um zur Audienz zugelassen zu werden. Bislang konnte jedoch kein weiterer Prominenter neben dem 1994 durch Rolf Schlierer wegen seiner Kontakte zur DVU gestürzten langjährigen Republikaner-Vorsitzenden Franz Schönhuber der Öffentlichkeit präsentiert werden.

"Als Friedensmensch bin ich fürs Reden"

Doch nun gibt es eine kleine politische Sensation: Der Starnberger Friedensforscher Alfred Mechtersheimer hat nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT Gerhard Frey bereits vor der Sachsen-Anhalt-Wahl in der DVU-Geschäftsstelle in der Paosostraße besucht (siehe auch Seite 2). Nach der Landtagswahl und dem sensationellen DVU-Erfolg mit 12,9 Prozent fanden zwei Telefonate mit dem Beauftragten Freys, Bernd Dröse, statt. Mechtersheimer hatte für eine eigene Kandidatur zur Bedingung gemacht, daß weitere Mitglieder der "Deutschland-Bewegung" personell eingebunden werden sollten. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT dementierte Mechtersheimer jedoch entschieden die Kontakte zur DVU: "Ich habe mit Herrn Frey nicht gesprochen." Ein Angebot zur Kandidatur für die DVU sei er "aus mehreren Gründen nicht nähergetreten". Aber: "Als Friedensmensch bin ich fürs Reden", erklärte er. Zur Frage nach dem politischen Stil und den politischen Inhalten der Frey-Publikationen will sich Mechtersheimer nicht äußern: "Meine Sorge gilt Deutschland, auch der Beschneidung der Meinungsfreiheit." Grundsätzlich sei er "zur Zusammenarbeit mit jedem Demokraten bereit, der gewaltfrei für ein besseres Deutschland" kämpfe.

In einem Rundschreiben hatte Mechtersheimer vergangene Woche die Kandidatur Schönhubers für die DVU kritisiert, weil Schönhuber qualifiziertere Kandidaten abschrecke: "Die Bundestags- und Europaparlaments-Kandidatur von Franz Schönhuber hält viele gute Leute zurück. Zu tief sind die Wunden, die man sich früher zugefügt hat. Nicht wenige meinen, was Frey in Sachsen-Anhalt gewonnen hat, wird er mit Schönhuber verspielen." Schönhuber soll sich nach Bekanntwerden der Gespräche gegen eine Kandidatur Mechtersheimers auf Listen der DVU gesperrt haben. "Zum Talleyrand taugt Mechtersheimer nicht", so Schönhuber gegenüber der JF.

In den Veröffentlichungen des "Friedenskomitees 2000", das als Koordinierungsstelle der von Mechtersheimer initiierten "Deutschland-Bewegung" fungiert, plädiert der Friedensforscher für ein unverkrampftes Verhältnis zur DVU: "Viele können die historische Situation nicht von Bagatellen unterscheiden. Und Gescheiterte bekämpfen den erfolgreichen Konkurrenten schärfer als den gemeinsamen politischen Gegner." Die Kandidatur für Frey erklärt Mechtersheimer für diskutabel: "Besonders merkwürdig finde ich es, wenn sich diejenigen über die ‘schlechten Leute von Frey’ mokieren, die selbst nicht bereit sind, bei ihm zu kandidieren. (…) Für eine neue Politik werden alle politischen Köpfe unseres Umfeldes, von denen die meisten in der Deutschland-Bewegung aktiv sind, benötigt." Mechtersheimer erklärt einschränkend, daß die DVU "nach ihrem inneren Aufbau das Gegenteil der Deutschlandbewegung" sei.

Innerhalb der "Regionalsprecher" bzw. "Regionalbeauftragten, den regionalen Koordinatoren der basisdemokratisch organisierten und einige hundert Menschen umfassenden "Deutschland-Bewegung" Mechtersheimers sind die Kontakte zur DVU noch nicht erörtert gewesen. Gegenüber der JF nahmen einige Sprecher Stellung:

Jürgen Schneidemann, Regionalbeauftragter in Halle/Saale und Gründungsmitglied der Bolko-Hoffmann-Partei "Pro D-Mark": "Wahr ist, daß ich daüber kein Sterbenswörtchen gehört habe."

Alfred H. Beyer, Regionalbeauftragter Elbe-Weser: "Gespräche zwischen der DVU und Herrn Mechtersheimer sind mir nicht bekannt. Auf einem Treffen der Regionalbeauftragten der Deutschland-Bewegung stimmten wir darin überein, daß die Deutschland-Bewegung grundsätzlich keiner politischen Partei den Vorzug gibt, sondern das Gespräch mit allen sucht. (…) Da in der Frey-Presse scheinbar ohne Schwierigkeiten von ‘KZ-Lügen’ straflos berichtet oder für Bücher ähnlichen Inhalts geworben wird, ist mir diese Presse suspekt und fragwürdig. Sie gehört nicht zu meiner Lektüre. Über Inhalte der DVU und der Frey-Presse wurde, soweit mir bekannt ist, in der Deutschland-Bewegung nicht gesprochen."

Ferdinand Neitzert, "Koordinator Nord": "Von dem geschilderten Gespräch zwischen Alfred Mechtersheimer und Gerhard Frey ist mir nichts bekannt. Andererseits glaube ich aber, daß Dr. Mechtersheimer, aufgrund
des beiderseits vertrauensvollen Zusammenarbeitens, mir von solch einem Gespräch Kenntnis gegeben hätte. Ich vermute daher, daß es sich um eine ‘Ente’ handelt oder Sie einer Falschinformation aufgesessen sind. So, wie sich die Deutschland-Bewegung versteht, ist sie überparteilich angelegt, und ich persönlich bin der Meinung, hierauf sollte auch in Zukunft großer Wert gelegt werden. Parteien gibt es genug, so daß die Deutschland-Bewegung diese unsägliche Zahl nicht noch erhöhen muß. (…)

Die Parteien, welche sich dem nationalen Gedanken verbunden fühlen, sind leider so heillos zerstritten, wie das gesamte nationale Lager, so daß davon nicht viel zu erwarten ist. (…) Antisemitismus, von wem er auch immer kommen mag, lehne ich selbstverständlich ab."

Dietmar Dominik Hennig, Koordinator Süd: "Über angebliche Gespräche von Herrn Dr. Mechtersheimer und Vertretern der DVU ist mir konkret nichts bekannt. Sollten solche Unterredungen dennoch stattgefunden haben, kann ich über deren Inhalt keine Angaben machen, da ich an diversen Unterredungen Dr. Mechtersheimers mit namhaften Politikern jedweder Couleur nicht beteiligt bin. Gegen einen gelassenen und unverkrampften Umgang auch mit der DVU hätte ich allerdings nichts einzuwenden. (…) Daran, daß die DVU schon von ihrem strukturellen Aufbau her zu unserer überparteilichen und basisdemokratischen Bewegung gegenwärtig nicht kompatibel ist, gibt es ebensowenig einen Zweifel, wie ich auch in Themenstellung und Aufmachung der National-Zeitung Zukunftsorientierung, Diskursfähigkeit und Bereitschaft zur Offenheit gegenüber anderen vermisse. Inwiefern die Frey-Presse tatsächlich plumpen und unerträglichen Antisemitismus propagiert, vermag ich jedoch nicht zu beurteilen, da ich mich nicht zu deren Leserschaft rechne. (…) Mir liegt es fern, Pauschalurteile zu fällen, und der DVU das Recht auf eine Entwicklung hin zu einer ernstzunehmenden demokratischen Kraft von vornherein abzusprechen. Sie würde damit lediglich einen Weg beschreiten, den die einst von Helmut Schmidt als ‘Ersatzkommunisten’ apostrophierten Grünen erfolgreich hinter sich gebracht haben. (…) Warum blicken wir nicht in die Zukunft?"

"Gespräche ohne Absprache wären ein Vertrauensbruch"

Ulrich Brier, Regionalbeauftragter Hessen-Süd: "Ich erfahre von möglichen Kontakten zwischen Mechtersheimer und der DVU zum ersten Mal. Grundsätzlich darf natürlich in unserer Bewegung jeder mit jedem reden. Ernst zu nehmende Kontakte wie mögliche Kandidaturen usw. mit der DVU ohne vorherige Kontaktierung der Regionalbeauftragten wären natürlich ein Vertrauensbruch. Aus meinem Kenntnisstand heraus gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine Verbindung zwischen der DVU und der Deutschland-Bewegung. Auseinandersetzungen seitens der Deutschland-Bewegung und den Inhalten der DVU bzw. der Frey-Presse haben in meinem Beisein nicht stattgefunden. Allerdings kenne ich selbst weder die DVU noch deren Programminhalte, noch deren Mitglieder und kann mir daher kein Urteil erlauben. Da ich in der Kommunal- und Landespolitik des Landes Hessen momentan sehr beschäftigt bin, habe ich auch keine Zeit gehabt, mich mit dem Gebilde DVU auseinanderzusetzen. Soviel kann ich noch ausführen: Jeder Mitstreiter der Deutschland-Bewegung, der nach den Wahlerfolgen der DVU verdeckten oder offenen Antisemitismus billigt oder mitträgt, kann und darf sich nicht weiter Mitstreiter der Deutschland-Bewegung nennen, da deren Grundsätze fest im Grundgesetz verankert sind."

Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bestätigte Schönhuber die Kontakte zwischen Frey bzw. dem DVU-Sprecher Dröse und Mechtersheimer. Ihm sei unverständlich, warum Mechtersheimer sich nicht dazu bekenne, wenn er mit der DVU Kontakt habe.

Durch seine Anbiederung bei Gerhard Frey hat Mechtersheimer die Mitglieder seiner "Deutschland-Bewegung" offensichtlich getäuscht und moralischen Kredit verspielt. Wie geht es weiter?


 
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