© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/98 12. Juni 1998

 
 
Umwelt als individuelles Eigentum
von Bernd-Thomas Ramb

Ein Aufschrei ging durch die Reihen der deutschen Autofahrer, als die Forderung der Grünen nach einer Anhebung der Benzinsteuer bis zu einem Benzinpreis von fünf Mark öffentlich wurde. Die Freiheit des Autofahrens ist nahezu die letzte, die dem Bürger noch verblieben ist, und sie ist ohnedies bereits stark eingeschränkt durch mehr oder weniger sinnvolle Geschwindigkeitsbeschränkungen. Natürlich schmerzt vor allem den Pendler, der aus Gründen des Einkommenserwerbs auf den Individualverkehr angewiesen ist, die Vorstellung einer Verdreifachung des Benzinpreises. Die ob der scharfen Reaktion der politischen Umwelt verwirrten Grünen haben deshalb alle ökologische Reinheit schnellstens in die hinterste Schublade verbannt und den Beschluß außer Kraft gesetzt, obwohl sie eigentlich eine durchaus interessante Begründung vorgetragen hatten. Sie wollten die Einnahmen aus der verschärften Benzinsteuer zur Senkung der Steuerbelastung der Arbeitseinkommens verwenden. Möglicherweise wäre damit für den größten Teil der Bevölkerung die ganze Sache einkommensneutral verlaufen. Das, was an Benzinsteuer mehr gezahlt werden müßte, würde durch eine entsprechende Steuererleichterung ausgeglichen – sofern eine Steuerpflicht bei autofahrenden Einkommensbeziehern überhaupt noch besteht.

Eigentlich hegen sämtliche Parteien stille Gedanken an eine Ökosteuer, Energiesteuer oder Umweltsteuer. Nur dürfen sie in Zeiten des Bundestagswahlkampfs, wie das Beispiel des designierten Kohl-Nachfolgers Schäuble zeigt, nicht öffentlich werden. Aus wissenschaftlicher Sicht sollten sie aber auch außerhalb der Wahlkampfzeiten im Bereich des zwar Denkbaren, aber nicht Verwirklichungswürdigen verbleiben. Ökosteuern taugen kaum zur Erziehung eines Volkes zum umweltgerechten Verhalten (was immer das auch bedeuten mag) und führen in vielen Fällen durch Vermeidungsstrategien kaum zu einer Verbesserung der Staatseinnahmen. Zudem lassen sich mit Ökosteuern keine exakten Umweltbelastungen ansteuern. Dagegen führen sie zur massiven Umverteilung der Einkommen, die aufgrund wirtschaftlicher Leistungen erworben wurden. Warum sollen, wie in den Vorstellungen der Grünen, allein die Bezieher von Arbeitseinkommen von den Erträgen der Umweltsteuern profitieren? Den höheren Benzinpreis müssen schließlich auch Rentner und Studenten bezahlen, wenn nicht direkt durchs Autofahren, dann indirekt über den Preisanstieg der zu höheren Kosten transportierten Güter.

Die Umverteilungsvorstellung der grünen Ökosteuer basiert im Kern auf dem Werturteil, nur der arbeitende Mensch habe ein Anrecht, die Umwelt durch das Verbrennen von Benzin zu belasten. Nur er geht, wenn die Ökosteuer gewissermaßen als Strafe für den Verbrauch der Umwelt angesehen wird, straffrei aus und zwar in dem Umfang, wie er Steuerentlastungen aus seinem Arbeitseinkommen erhält. Wird dieser Akt als Eigentumsrecht interpretiert, beinhaltet die Vorstellung der Grünen nichts anderes als die willkürliche Wertung, die Umwelt gehöre den arbeitenden Menschen, genauer den in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis entlohnten Menschen. Aber selbst in diesem ideologischem Werturteil der grünen Umverteilung lauern verzerrende Fallstricke. Der eine Arbeitnehmer mag eine höhere Steuererleichterung erfahren als der andere und damit eine höheres Eigentumsrecht an der Umwelt besitzen als der Arbeitskollege.

Von da bis zur Auffassung, jeder solle Steuererleichterungen nach seinen Bedürfnissen erhalten, ist nur ein kleiner Schritt. Die Methode der willkürlichen Vergabe von Eigentumsrechten ist in kommunistisch-sozialistischen Regimen kein unbekanntes Prinzip, nach dem besondere Gleiche unter Gleichen eben gleicher waren als die anderen. Bei dem offenkundig neosozialistischen Hang vieler westdeutscher Parteien ist dies daher auch als Zielvorstellung nicht auszuschließen. Es bleibt der Zweifel, ob eine solche Verteilung von Eigentumsrechten an der Umwelt sozial und gerecht ist, und die Frage, welche Verteilung sozial gerecht ist.

Hier geht es wohlgemerkt nicht um die Frage einer ökonomisch effizienten Verwendung von Umwelt, sondern vornehmlich um die Verteilung des Eigentums an der Umwelt. Die Art der Verwendung dieses Umwelteigentums, ob etwa die Autofahrt zum Urlaubsort führt oder allein dem Berufsverkehr dient, ob die Fahrt "notwendig" ist oder nicht, bleibt der nachrangigen Betrachtung überlassen. Wird dies allerdings durch spezielle Festlegung der Verwendungsrechte geregelt, entsteht zwangsläufig eine Rückwirkung und damit ein Eingriff in das Eigentumsrecht. Ähnlich ist die Unterscheidung von individuellen und gemeinsamen Eigentumsrechten zu werten. Beim gemeinschaftlich verwalteten Eigentum kann immer eine Diskrepanz zwischen den Verwendungswünschen des Einzelnen und denen der Gemeinschaft entstehen.

Eigentum und die damit verbundenen Eigentumsrechte stehen somit in letzter Konsequenz immer in Relation zu den Rechten, die dem einzelnen Menschen zugewiesen sind. Der entscheidende Aspekt ist: Das Recht des einzelnen Menschen ist ein Menschenrecht, und zur Ausgestaltung der Menschenrechte existieren moralische und ethische Grundvorstellungen. Ein Ausgestaltung der Eigentumsrechte an der Umwelt muß daher, wenn sie dem ethischen und moralischen Anspruch gerecht werden will, die Qualität von Menschenrechten aufweisen. Das wichtigste Merkmal der Menschenrechte aber ist die Gleichbehandlung. Das Recht auf Umwelt kann nicht unterschiedlich auf die Menschen verteilt werden. Positiv formuliert: Jeder Mensch muß den gleichen Anspruch auf Umwelt besitzen.

Die individuelle Zuteilung von Umwelteigentum ist in der Diskussion zwar keine neue Ausgangskomponente bei der Betrachtung einer effizienten und gerechten Nutzung der Umwelt, ihre praktische Verwirklichung scheiterte jedoch stets an dem Vorurteil der scheinbaren Undurchführbarkeit. In der Tat bedingt die effiziente Zuteilung von individuellen Eigentumsrechten an der Umwelt auch die Sicherstellung der Möglichkeit eines Austauschens von Eigentum. Wie im normalen Wirtschaftsleben Eigentumswerte, etwa ein Haus, ein Auto oder ein Buch, den Eigentümer durch Tauschvereinbarungen wechseln können, müßte es auch ermöglicht werden, daß Umweltnutzungsanteile vom einen auf den anderen übertragen werden.

Um auf den Benzinverbrauch zurückzukommen, bedeutet die bloße Verteilung von Benzinbezugsscheinen an die Bevölkerung zunächst kein übermäßiges Problem. Sind erst einmal diese Bezugsscheine verteilt, kann auch prinzipiell ein Handel mit Benzingutscheinen entstehen. Da aber nicht nur die Menschen unterschiedliche Wünsche nach Benzin durch Kauf oder Verkauf der Bezugsscheine verwirklichen wollen, sondern auch die nicht bedachten Unternehmen, deren Fuhrpark mit Treibstoff versorgt werden muß, würde zwangsläufig ein umfangreicher Markt für den Handel mit Benzinbezugsscheinen entstehen.

Die technische Abwicklung dieser Markttransaktionen verursacht selbstverständlich Kosten, wie auch zuvor bei der Erstverteilung der Bezugsscheine Verwaltungskosten entstehen. Die Erhaltung der Eigentumsrechte, vor allem die Einhaltung der Menschenrechte, ist grundsätzlich keine kostenlose Gemeinschaftsveranstaltung. Kostenlos für die Gemeinschaft wäre allein die darwinistische Anarchie mit dem unverminderten Recht des Stärkeren, das natürlich dem Menschenrechtsprinzip widerspricht. Der Kostenaspekt darf deshalb prinzipiell nicht das Gegenargument zur individuellen Verteilung der Umwelteigentumsrechte sein. Die gemeinschaftliche Vereinbarung von Eigentumsrechten beinhaltet eine rein normative Festlegung, frei von Kostenüberlegungen. Erst der nachfolgende Handel mit Eigentumsrechten darf wirtschaftlichen Überlegungen unterliegen.

Der Kostenaspekt könnte allerdings bei der Erwägung von zweitbesten Lösungen der Umweltnutzungsfrage eine Rolle spielen. Die vom Verwaltungsaufwand her kostengünstige Idee einer Fünf-Mark-Abgabe der Grünen ließe sich aber nur dann retten, wenn drei entscheidende Änderungen in das weitere Konzept eingeführt würden. Erstens dürfte nicht mehr eine Steuer, sondern nur noch eine Abgabe bestehen. Dies ändert nichts an der Höhe, wohl aber an der Verwendung: Die Abgabe müßte zurückfließen. Diese Rückverteilung der Benzinabgabe müßte zweitens an alle Menschen erfolgen, also nicht nur an die in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sondern auch an Kinder und Alte, kurz an alle, denen das Menschenrecht auf Umweltnutzung zugebilligt wird. Drittens müßte der Rückzahlungsbetrag genau die Höhe betragen, die der Benzinmenge entspricht, die dem einzelnen als Verbrauchsmenge eigentumsrechtlich zugestanden wird. Wird beispielsweise der gesamte Abgabepreis bei Bezug eines Liters Benzin auf vier DM festgelegt und jedem Menschen das Recht zugebilligt, pro Jahr 2.000 Liter Benzin zu verbrennen, muß jeder jährlich 8.000 DM erhalten. Diese 8.000 DM Umwelteinnahmen dienen nicht nur zur Bezahlung des Eigenverbrauchs an Benzin, sondern auch dem Ausgleich für Preiserhöhungen, die die nicht von der Rückzahlung betroffenen Unternehmen auf ihre transportierten Produkte aufschlagen.

Wären alle Menschen in ihrem Verbraucherverhalten gleich, würde die Höhe der Benzinabgabe keine Rolle spielen. Führt dieses Verhalten exakt zu einem Benzinverbrauch von 2.000 Litern, könnte der Abgabepreis ebenso acht DM oder eine DM betragen, wenn nur die Rückzahlung entsprechend 16.000 DM oder 2.000 wäre. Die Höhe des Abgabepreises stellt jedoch einen unterschiedlichen Anreiz dar, mehr zu verbrauchen, weil etwa ein Wunsch nach längeren oder häufigeren Autofahrten besteht, oder weniger zu verbrauchen, weil dadurch eine zusätzliche Einkommensquelle eröffnet wird. Bei einem höheren Abgabepreis nimmt der erste Anreiz ab, der zweite zu, und umgekehrt.

Die Festlegung des Abgabepreises stellt dabei ein mehrfaches Problem dar. Zum einen ist die Abgabenhöhe eine politische Entscheidung und damit einer gewissen Willkür unterworfen, die im Widerspruch zu den Wünschen der Menschen stehen kann. Zum zweiten, und damit kämen die Divergenzen zwischen Staat und Gesellschaft zum Ausdruck, kann aus der Aufrechnung des Mehr- und Minderverbrauchs eine überzogene oder eine untersteuerte Umweltbelastung resultieren. Die Bevölkerung würde dann insgesamt mehr, respektive weniger als die exakt zugestandenen 2.000 Liter pro Person verbrauchen. Natürlich läßt sich ein solches Ergebnis für den nachfolgenden Zeitraum durch eine Erhöhung bzw. Verringerung der Abgabenhöhe korrigieren, eine exakte Steuerung wäre jedoch dem Zufallsprinzip unterworfen. Eine genaue Verteilung der Eigentumsrechte und eine ökonomisch effiziente Festlegung der Handelspreise ist nur nach der zuvor beschriebenen Methode der Bezugsscheine möglich.


 
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