© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/98 19. Juni 1998

 
 
Kolumne
Feindbilder
Von Klaus Hornung

Die anhaltenden Debatten um mögliche politische Bündnisse und Koalitionen zeigen erneut, welche Schieflage und Asymmetrie in der Beurteilung des Rechtsextremismus einerseits und des Linksextremismus andererseits in Deutschland besteht. Während die politisch-ideologische Linke dazu neigt, die PDS in den "demokratischen" Verfassungsbogen aufzunehmen, werden die perspektivlosen, vor allem jugendlichen DVU-Wähler von vornherein als "Neonazis und Faschisten" verteufelt.

Noch immer wird die einst von Stalin und der Komintern in die Welt gesetzte Faschismus-Antifaschismus-Konstruktion von vielen als die authentische Wahrheit über die Geschichte des 20. Jahrhunderts betrachtet und stehen andere, trotz besseren Wissens, unter ihrer "einschüchternden Wirkung" (François Furet). Noch immer erweist sich diese agitatorisch-strategische Konstruktion vielfach als wahre Erfolgsgeschichte der Massenbeinflussung und als Opium für Intellektuelle im 20. Jahrhundert. Wem ist noch gegenwärtig, in welchem Ausmaß für den Sowjetkommunismus Faschismus und Antifaschismus zentrale politische Kampfvokabeln waren und wie man alle Gegner der kommunistischen Weltrevolution schlechthin als "Faschisten" deklarierte, ob die deutschen Sozialdemokraten der 20er Jahre oder deutsche Kanzler wie Heinrich Brüning oder Konrad Adenauer, ob Eisenhower oder de Gaulle oder die von Stalin abtrünnigen jugoslawischen Kommunisten, die sich plötzlich als "faschistische Titoclique" wiederfanden.

Und als sich nun die CDU in Magdeburg weigerte, sich zusammen mit der PDS in die "antifa-schistische Front" gegen die DVU eingliedern zu lassen, geriet sie selbst unter das Faschismus-Verdikt der Kommunisten. So einfach ist das alles für die vereinigten kommunistisch-linkssozialistischen Kräfte, die es stets verstanden, ihre eigene Offensive hin-ter dem Rauchschleier des "demokratischen Antifaschismus" voranzutreiben: zuletzt die sogenannte antifaschistisch-demokratische Umwälzung in der sowjetischen Besatzungszone Deutschlands als deren Ergebnis die totalitäre Monopolherrschaft der SED herauskam.

Wer die "uneingestandene Wesensverwandtschaft" und "konfliktgeladene Komplizenschaft" (Furet) der beiden totalitären Ideologien und Systeme und damit den Kern der Geschichte des "totalitären Zeitalters" nicht zur Kenntnis nimmt oder leugnet oder sich über seine Lehren hinwegsetzt, ist leicht dazu verurteilt, die Geschichte zu wiederholen.


 
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