© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/98 26. Juni 1998

 
 
Nationalbewußtsein: Eine Veranstaltung der Burschenschaft Danubia
Die Deutschen geißeln sich selbst
von Martin Stadler

Die Deutschen sollten sich nicht "durch eine noch so gut gemeinte Reaktion auf Hitlers Verbrechen und großmäulige Dümmlichkeit den gesunden Menschenverstand verbiegen lassen". Das hat der Ehrenpräsident des Freien Deutschen Autorenverbandes (FDA), Volkmar Zühlsdorff, auf einer Veranstaltung der Burschenschaft Danubia zum Thema "Emigration und nationales Bewußtsein" vorige Woche in München gefordert. Weil der Nationalsozialismus die Liebe zu Volk und Vaterland pervertiert habe, so Zühlsdorff, dürfe nicht heute jede Art von Patriotismus, auch der natürlichste, als "rechtslastig oder gar faschistoid ausgegeben werden".

Die Geschichte des deutschen Volkes beginne nicht 1933 und ende auch nicht 1945. Eine derartige Reduzierung, wie sie heute betrieben werde, sei schlichtweg abzulehnen; sie führe zu einer Flucht in die Identitätslosigkeit der Deutschen. In einem vereinten Europa müsse nach Ansicht von Zühlsdorff aber gerade Deutschland Stärke und Vorbildcharakter beweisen. Dieses Ziel ließe sich jedoch kaum durch Selbstgeißelung erreichen. Zühlsdorff empfiehlt deutsches Selbstbewußtsein als Schlüssel in den Kreis der Völkergemeinschaft anstatt "multikulturelles Weltbürgertum".

Am 9. Dezember 1912 in Finow geboren, erlebte Volkmar Zühlsdorff noch die Folgen des Ersten Weltkrieges mit der Ungerechtigkeit des Versailler Vertrages. Vor allem die Deutschland in dem Vertrag zugesprochene alleinige Kriegsschuld weckte früh sein politisches Interesse, und fast hätte er sich aus einem verletzten jugendlichen Gerechtigkeitsgefühl heraus den Nationalsozialisten angeschlossen. Als er erkannte, daß Gewalt keine Lösung bedeutet und ein Leid nicht durch ein noch größeres wiedergutgemacht werden kann, verweigerte er sich.

Bestärkt wurde er in dieser Überzeugung durch Hubertus Prinz zu Löwenstein, der schon frühzeitig den Weg des Nationalsozialismus als Untergang des deutschen Volkes angeprangert hatte. Aus dem gemeinsamen Kampf im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft, die auf der Überzeugung beruhte, die Deutschen vor den fatalen Folgen eines erneuten Krieges bewahren zu müssen.

Nach der Machtergreifung Hitlers 1933 mußte Zühlsdorff emigrieren; ihm drohte die Verhaftung und somit das Ende seiner politischen Arbeit. Zuerst floh er nach Österreich, als später auch dort der Druck zu groß wurde, über Frankreich und England nach New York. Dort trat er der durch von Löwenstein ins Leben gerufenen "Deutschen Akademie der Wissenschaften und Künste" mit den Präsidenten Thomas Mann und Sigmund Freud bei. Als Vertreter eines "anderen Deutschland" wirkten sie vor allem gegen die Rachepläne eines Henry Morgenthaus oder Vansittarts, die nach Schätzung des amerikanischen Außenministers Cordell Hull für etwa 20 Millionen Menschen den Hungertod bedeutet hätten.

Am 12. Oktober 1946 kehrte er zusammen mit Prinz zu Löwenstein in das durch den Krieg zerstörte Deutschland zurück und setzte sich vor allem für die Rechte Deutschlands gemäß der Haager Landkriegsordnung und die Rechte der Vertriebenen ein. Heute hat sich der mittlerweile 86jährige Zühlsdorff einer neuen Bestimmung verschrieben: der geistigen Aufgabe des freien Bewußtseins seines Volkes entgegenzuwirken.


 
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