© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    27/98 26. Juni 1998

 
 
Konkurrenzschutz
von Hans B. von Sothen

Die Enquete-Kommission des Bundestages "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" hat ihren Abschlußbericht vorgelegt. Ergebnis: Zwar sei keine unmittelbare Gefahr im Verzug, aber Vorsicht sei geboten. Immerhin soll eine Bund-Länder-Stiftung zur Beobachtung und Überwachung weltanschaulicher Minderheiten eingerichtet werden. Doch die Frage bleibt: Soll sich der Staat auf diese Weise in religiöse Sachen mischen?

Staat und Sektenbeauftragte der Großkirchen haben sich in Deutschland bei der Enquete-Kommission zu einer unheiligen Allianz zusammengeschlossen. Beide Seiten verfolgen in dieser Kommission ihre eigenen Interessen. In den Kirchen, insbesondere den evangelischen, ist die Sozialdemokratisierung bereits weit fortgeschritten und beginnt dort den theologischen Kern anzugreifen. Die Mitglieder verlassen diese Supermarkts-, Selbsterfahrungs- und Service-Kirchen in hellen Scharen und wenden sich Gruppierungen zu, die es in Glaubensdingen wieder etwas strenger halten. Die "Sektenbeauftragten" erfüllen hier vor allem die Aufgabe des Konkurrenzschutzes unter staatlichem Mantel.

Die Interessen des Staates sind etwas anders gelagert. Insbesondere die Große Koalition aus SPD, FDP und Süssmuth-CDU will eine weitere Sozialdemokratisierung und Vergewerkschaftung der Kirche. Wirft man den "Sekten" undemokratische Praktiken in ihrem Innenverhältnis vor, so müßte dies eigentlich auch für die großen Volkskirchen gelten. Hier liegt aber der eigentlich gefährliche Weg, der im nächsten Schritt auch die Großkirchen selbst in Frage stellen wird. Sie haben das bloß noch nicht gemerkt. Scientology, so die sechs Professoren, sei eigentlich nur der "Dosenöffner" für etwas ganz anderes: Nach und nach sollen alle unliebsamen und eher konservativen religiösen Gruppen ins extremistische Zwielicht gerückt werden. Heute Zeugen Jehovas oder Charismatiker, morgen Pietisten, Evangelikale oder Opus Dei.

"Demokratisierung der Religion" heißt das Zauberwort. Doch manche Politiker scheinen immer noch nicht begriffen zu haben, daß man über Glaubensfragen nicht abstimmen kann. Der Staat hat im übrigen weder alternative Frömmigkeitsformen zu beurteilen, noch hat er die persönliche Beziehung des Gläubigen zu Gott zu demokratisieren. Der Staat muß sich auf seinen Aufgabenbereich beschränken. Gruppen wie Scientology, die möglicherweise schwerpunktmäßig geschäftlich tätig sind, mag der Staat die kirchlichen Förderungsmöglichkeiten dadurch entziehen, daß er den kirchlichen Status nicht anerkennt. Ansonsten hat zu gelten: Wer kriminelle Handlungen begeht, hat sich vor Gericht zu verantworten. Wer nichts dergleichen tut, den hat man in Ruhe zu lassen.


 
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