© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/98 03. Juli 1998

 
 
Politik: Die EU will mit einer neuen Rahmenrichtlinie den Deutschen das Wasser abgraben
Neue Begehrlichkeiten aus Brüssel
von Roland Heilmann

Flüsse, Seen, Küsten- und Grundgewässer sollen innerhalb der Europäischen Union wieder eine bessere Wasserqualität erhalten, die Schadstoffe schrittweise reduziert werden. Eine Liste mit den 30 wichtigsten gefährlichen Stoffen ist bereits in Arbeit. Ende des Jahres ist mit der Fertigstellung zu rechnen. Dann können entsprechende Grenzwerte festgelegt werden. Darauf haben sich die Umweltminister der EU im Juni in einer "Wasserrahmenrichtlinie" geeinigt.

Vorgesehen ist, daß jedes Mitgliedsland saubere und möglichst naturnahe Referenzgewässer festlegt, an die sich die anderen nationalen Gewässer annähern sollen. Bei der Definition der Wasserqualität einigte sich der EU-Umweltrat darauf, daß sowohl die Schadstoffkonzentration als auch biologische Merkmale wie das Vorhandensein von Pflanzen und Tieren für die Gewässerqualität bestimmend seien.

Umweltministerin Angela Merkel sprach in diesem Zusammenhang von einem "Meilenstein für die europäische Gewässerschutzpolitik". Die Richtlinie gebe einen entscheidenden Impuls für die Verbesserung der Wasserqualität. Das eigene Verhandlungsgeschick hervorhebend, betont sie, die Bundesregierung habe zentrale deutsche Forderungen durchsetzen können.

Was sich anhört wie eine Erfolgsbilanz, ist es aber keineswegs, denn die Umsetzung wird sich noch Jahrzehnte hinziehen: Zehn Jahre haben die Länder Zeit, Pläne für die Gewässersanierung vorzulegen. Innerhalb von sechs Jahren sollen diese dann realisiert werden. Da aber schon jetzt klar ist, daß einige Mitgliedstaaten Probleme mit der Umsetzung haben werden, sind zwei automatische Verlängerungen um jeweils sechs Jahren vorgesehen. Reicht auch diese Zeit nicht, kann die EU-Kommission die Frist um weitere sechs Jahre verlängern. Im Klartext: Erst nach 34 Jahren kann ein Verstoß gegen die eingegangenen Verpflichtungen geahndet werden.

Nicht nur in dieser Hinsicht kann mitnichten von einem "Meilenstein" gesprochen werden. Denn die EU-Richtlinie sieht auch vor, daß wasserreiche Länder Trinkwasser aus ihren Reserven an wasserärmere Länder liefern müssen. Zu Recht befürchtet der Bundesverband der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft (BGW) durch den geplanten innereuropäischen Wassertransfer einen "Ausverkauf der Wasserrechte in Deutschland", so Erich Deppe, BGW-Vizepräsident. Das deutsche Wasser dürfe nicht "unter dem Deckmantel einer Sparideologie an den Meistbietenden vorverkauft werden", erklärte Deppe. Insbesondere Spanien wirft er vor, seine Wasserressourcen zu verschwenden und nicht genügend für den Gewässerschutz getan zu haben. Deutschland hingegen investierte allein im vergangenen Jahr 5,9 Milliarden Mark, rund 61 Prozent davon allein ins Rohrnetz, so daß die Bundesrepublik die niedrigsten Wasserverluste im europäischen Vergleich aufweise. Und auch der Wasserverbrauch konnte seit 1990 um 17 Prozent verringert werden. Etliche EU-Mitgliedsstaaten setzen hingegen eher auf einen Import von Wasser als auf Investitionen zur Lösung ihrer Gewässerschutz- und Wasserverteilungsprobleme, so Erich Deppe.

Der BGW-Vizepräsident kritisiert auch die Pläne, die Kostendeckung einschließlich der Umwelt- und Ressourcenkosten nicht verbindlich zu regeln. Dieser Vorschlag vergrößere die bereits jetzt bestehenden Wettbewerbsverzerrungen in Europa. Während in Deutschland die Trink- und Abwasserpreise nach dem Kostendeckungsprinzip gebildet werden, werden in vielen Ländern Europas die Preise durch Subventionen "künstlich niedrig gehalten". Solange der Wassermangel vieler Länder vor allem "hausgemachte Ursachen habe", könne der BGW "keinerlei Verständnis für die Begehrlichkeiten anderer Länder aufbringen", so Pressesprecherin Michaela Schmitz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.


 
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