© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/98 03. Juli 1998

 
 
Superministerium
von Martin Otto

Die Ära Rau war in Nordrhein-Westfalen eine Zeit, in der die Haushaltsmittel noch reichlich flossen; selbst die Schaffung eines neuen Ministeriums schien kein Problem. Da konnte man sich auch Kuriositäten wie das erste Gleichstellungsministerium dieser Republik leisten. Die fetten Jahre sind vorbei, und der neue Ministerpräsident zeigt gleich, daß er mit weniger Ministerstellen auskommen will. Keine schlechte Sache an sich, und ohnehin ist der Sinn einer Landesregierung von Kompaniestärke dem Wähler kaum noch zu vermitteln. Ministerpräsident Clement ging in seinem Reformeifer freilich so weit, selbst "klassische" Ministerien nicht unangetastet zu lassen. Mit dem Ergebnis, daß Innen- und Justizministerium vereinigt wurden. Zu dem ohnehin nicht kleinen Innenressort mit Zuständigkeiten vom Verfassungsschutz bis zum Veterinäruntersuchungsamt kommt jetzt die gesamte Justizbürokratie. Ein Ministerium, das Polizei und Staatsanwaltschaften gleichermaßen beaufsichtigt, Gesetze ausfertigt und deren Befolgung überwacht. Machtkonzentration ist kaum zu leugnen.

Schon schlagen die Hüter der Verfassung Alarm. In einem offenen Brief warnen die Richter des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofes vor einer "uns alle beschämenden Abhängigkeit von politischer Opportunität", die "in unserem Lande nur wenige Jahrzehnte zurückliegt". Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig sieht gar einen Rückfall in "vordemokratische Staatlichkeit". Gibt es in NRW bald keine Gewaltenteilung mehr? Die Unabhängigkeit der Richter kann auch gewahrt bleiben, wenn sie demselben Ministerium wie etwa die Polizei unterstehen. Die beiden deutschen Diktaturen schafften die Durchbrechung der Gewaltenteilung auch ohne Zusammenlegung der Ministerien.

Es gibt gute Gründe, den Zuschnitt klassischer Ressorts zu belassen. Aus Hessen wissen wir, daß die planlose Zusammenlegung von Ministerien zu unüberschaubaren Großbehörden führen kann; der Spareffekt geht gegen Null. Die Keule "Diktaturnähe" muß da nicht einmal bemüht werden. Das Düsseldorfer Superministerium muß nicht per se die Gewaltenteilung gefährden. Negative Folgen sind dennoch absehbar: Das Abhören von Wohnungen etwa untersteht nun von der Genehmigung bis zur Ausführung demselben Ministerium. Weniger Gewaltenteilung in einem hochsensiblen Bereich. Man mag das in Kauf nehmen, wenn zwingende Gründe die Zusammenlegung rechtfertigten. Ministerpräsident Clement aber begründet seine Entscheidung haushaltspolitisch. Sieht die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf den Grundrechtsschutz des Bürgers als bloßen Kostenfaktor? Ein Fall für den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz?


 
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