© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/98 10. Juli 1998

 
 
Der Extremist
Werner Olles

Wenn Gerhard Schröder am 27. September die Bundestagswahlen gewinnt – und dafür spricht ja zur Zeit einiges –, wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ein bekennender Linksextremist am Kabinettstisch Platz nehmen. Der Parteisprecher der Grünen, Jürgen Trittin, ist bei einem Sieg von rot-grün als Bundesumweltminister vorgesehen. Schröder wird an ihm – selbst, wenn er es wollte – nicht vorbei kommen. Immerhin saß Trittin bereits als Europa-Minister in Schröders rot-grüner Koalitionsregierung, und als ministrabel gilt aus dem grünen Führungs-Quartett ansonsten nur noch Joseph Fischer. Die beiden Damen gelten bei dem größeren Koalitionspartner als eher ungeeignet, Kerstin Müller wohl wegen ihrer mehr oder weniger intellektuellen Unbeweglichkeit, Gunda Röstel wird dagegen als ziemlich dröger DDR-Import angesehen.

Bei Trittin sieht hingegen die Sache völlig anders aus. Fischers innerparteilicher Widerpart – durchaus ein Mann fürs Grobe – sicherte den Grünen bislang beachtliche Stimmanteile aus den trüben Quellen des frei vagabundierenden Linksextremismus. Radikale Autonome sehen in dem kommunistischen Alt-Kader immer noch ihren Mann. Trittin kommt ursprünglich aus dem Hamburger Kommunistischen Bund (KB), einer stalinistischen Kaderorganisation, die eine Zeitlang auch als Durchlauferhitzer für militante Links-Terroristen galt. Anders als die eher maoistisch orientierten K-Gruppen, die die sowjetische und DDR-Politik ziemlich realistisch als "sozialfaschistisch" klassifizierten, definierte der KB die Politik der DKP und der DDR mit müdem Spott und relativ milde als "Revisionismus", sah jedoch in deren "Antifaschismus" positive Ansätze dieser potentiellen Bundesgenossen.

Kein Wunder, daß KB-Kader wie Jürgen Reents und Ulla Jelpke später bei der SED-Nachfolgepartei PDS landeten. Trittin ist diesen an sich logischen Weg nicht mitgegangen. Zusammen mit der "Gruppe Z" des KB, deren Mitglieder planmäßig zu den Grünen übertraten, um sie politisch zu beeinflussen, stieß Anfang der 80er Jahre neben den Hamburger KBlern Thomas Ebermann und Rainer Trampert auch der Göttinger Student Jürgen Trittin zu den Grünen. Vieles, was im KB-Organ Arbeiterkampf 1978 zu lesen war, findet sich in den heutigen Äußerungen Trittins wieder.

So schnell wächst man hierzulande von einem K-Grüppler im Studentenparlament mit deutschem Selbsthaß und einer Melange aus protestantischer Zerknirschtheit und grinsender Diktaturverharmlosung in die beliebte Rolle des gesamtdeutschen Verantwortungsethikers. Da fehlt denn wirklich nur noch die verdiente Krönung zum Minister dieses Staatswesens.


 
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