© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/98 24. Juli / 31. Juli 1998

 
Fatale Vorgaben: VDA und Hilfsring für Rumänendeutsche müssen Bonner Fehler ausbaden
Helfer zu Geldboten degradiert
von Martin Schmidt

Der Bund der Steuerzahler hat vor zwei Wochen Klage gegen das Bundesinnenministerium wegen des "Verdachts der strafbaren Verwendung öffentlicher Mittel" bei der Förderung von Rußlanddeutschen in der GUS eingereicht.

Karl Heinz Däke, der Präsident des Bundes, sprach von einem "unglaublichen Fall von Steuergeldverschwendung" und konnte sich dabei des Beifalls der Medien sicher sein. Schließlich zielt die Klage im Kern auf den Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) als der für die finanziellen Unregelmäßigkeiten direkt verantwortlichen sogenannten "Mittlerorganisation", der in den Jahren nach 1990 über 213 Millionen Mark an Steuermitteln aus dem Innenministerium zugeflossen sein sollen, von denen nach offiziellen Bonner Angaben nur rund 90 Prozent mit dem Bundesrechnungshof ordnungsgemäß abgerechnet wurden.

Der VDA als der traditionsreichste Hilfsverein für Auslandsdeutsche (Gründungsjahr: 1881) ist wegen dieser Ungereimtheiten schon seit längerem immer wieder zur Zielscheibe bestimmter linksorientierter Medien geworden, die die ihnen völlig unverständliche kulturelle Unterstützung von Landsleuten in aller Welt am liebsten ganz beenden würden. Der eigentliche Skandal, nämlich die von der Bonner Politik und dem nun in Rente gehenden Staatssekretär Horst Waffenschmidt zu verantwortende Verschwendung vieler Millionen deutscher Steuergelder für von Anfang an höchst zweifelhafte neue rußlanddeutsche Ansiedlungsprojekte im Wolgagebiet, in Sibirien und in der Ukraine kommt dabei in der Regel nicht zur Sprache. Der VDA hat in dieser Angelegenheit die Unfähigkeit eines früheren Geschäftsführers auszubaden sowie den schwerwiegenden Fehler, sich auf die angesichts der chaotischen Verhältnisse in den meisten Nachfolgestaaten der Sowjetunion nur sehr schwer abzuwickelnden großangelegten Hilfsprogramme für Rußlanddeutsche überhaupt eingelassen zu haben. Inzwischen hat man Lehrgeld bezahlt und konzentriert sich nach der 1997 erfolgten Aberkennung des Status als "Mittlerorganisation" (die diesbezüglichen Aufgaben samt diverser Büros in den GUS-Staaten wurden an die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit übertragen) wieder ganz auf die altbewährte Minderheitenförderung des Vereins in Südosteuropa, in Nordschleswig, Eupen-Malmedy, in Nord- und Südamerika oder auch in Australien. Völlig unbeschwert kann diese überaus wertvolle Tätigkeit allerdings noch nicht betrieben werden, jedenfalls solange nicht, wie das Damoklesschwert des finanziellen Ruins über dem VDA hängt. Die Entscheidung, ob man die 21 Millionen Mark an nicht genau belegten Ausgaben an den Staat zurückzahlen muß oder aber diese erlassen bekommt, ist zur Existenzfrage geworden.

Aber nicht nur der VDA, sondern auch andere Hilfsvereinigungen für Auslandsdeutsche sind infolge falscher Weichenstellungen der maßgeblichen Bonner Politiker in Schwierigkeiten geraten. Jüngstes Beispiel ist der 1953 gegründete Hilfsring e. V. Dieser ist in etlichen ostmitteleuropäischen und südosteuropäischen Staaten für dort lebende Landsleute tätig, ganz besonders jedoch in Siebenbürgen, dem Banat und den anderen Siedlungsgebieten der Rumäniendeutschen. Die Vorsitzende Katharina von Krosigk gab unlängst bekannt, daß der Verein im kommenden Jahr seine Tätigkeit als Vermittler der staatlich geförderten Einzelfallhilfe nach Rumänien einstellen und fortan die Spenden direkt an die bedürftigen Landsleute bringen werde. Der Grund hierfür sei der Entzug des Mitspracherechts bei der Verteilung der Hilfsgüter, die in Zukunft – von Bonn abgesegnet – allein von den Vertretern der Minderheit vor Ort abgewickelt werden soll. Der Hilfsring sieht so keine Möglichkeit mehr, eine korrekte Abrechnung nach den Rahmenbedingungen der Bundeshaushaltsordnung zu gewährleisten, denen man als "Mittlerorganisation" unterworfen ist.

Die Verfügungsgewalt über die aus der Bundesrepublik von den staatlich unterstützten Mittlerorganisationen bereitgestellten Geldmittel und Sachleistungen ist in den Zielgebieten längst zu einem politischen Machtfaktor geworden. Wer als Volksgruppenvertreter über deren Verteilung mitentscheiden kann, darf sich eines erheblichen Prestigegewinns in der eigenen Gruppe sicher sein. Die Einhaltung der bundesdeutschen gesetzlichen Vorgaben für die Einzelfallhilfe spiele dabei, so Frau von Krosigk, für die Repräsentanten der Rumäniendeutschen verständlicherweise keine Rolle. Der Hilfsring ist jedoch daran gebunden und kann für etwaige Regelverletzungen bei der Verwendung der deutschen Steuergelder im Ausland vom Bundesverwaltungsamt in Köln haftbar gemacht werden. Mit anderen Worten: Es drohen ähnliche Vorhaltungen, wie sie den VDA in eine schwere Existenzkrise gebracht haben.

Der Hilfsring e. V. hat in einer Erklärung vom 27. Mai sein Unverständnis darüber bekundet, daß ihm trotz dieser Ausgangslage das Bundesinnenministerium im Falle Rumäniens ein Mitspracherecht bei der Verteilung der Einzelfallhilfen verweigert. Faktisch werde der Verein so "zu einem Geldboten gemacht und kann, genau genommen, nun nicht mehr der Zielsetzung seiner Satzung entsprechen, in der er den hilfsbedürftigen Menschen deutscher Herkunft in den Mittelpunkt seiner Tätigkeit zu stellen hat".

Ein gewisses Mitspracherecht für die deutschen Volksgruppenvertreter vor Ort ist sicherlich sinnvoll, andererseits darf dies keinesfalls so weit gehen, daß die oft von einem hohen Maß an Idealismus getragenen bundesdeutschen Unterstützervereine entmündigt werden und die Kontrolle über die rechtlich einwandfreie Abwicklung ihrer Arbeit verlieren. Hinzu kommt, daß nach den Erfahrungen des Hilfsrings viele arme Menschen in Siebenbürgen oder dem Banat inzwischen von den Hilfen ausgeschlossen sind, weil sie für die Minderheit "keinen Nutzen" mehr darstellen. Es sei belastend, so Katharina von Krosigk, "das zu wissen und trotzdem mit der Vermittlertätigkeit aufhören zu müssen. Aber es wäre den Hilfsbedürftigen gegenüber unehrlich, weiterzumachen und so zu tun, als merke man nicht, daß man zum stillschweigenden Handlanger einer kleinen machthungrigen Clique geworden ist."


 
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