© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31-32/98 24. Juli / 31. Juli 1998

 
Schleswig-Holstein: Landschaftsplan favorisiert Konfliktbewältigung durch Interessenausgleich
Schutz der Natur auf gutem Wege
von Horst Schinzel

Spektakuläre Aktionen in den neuen Bundesländern – zuletzt die Anerkennung des Biosphären-Reservats "Elbtalaue" als Weltkulturerbe durch die Unesco – haben einer breiten Öffentlichkeit den Blick dafür verstellt, daß auch in den "alten" Ländern in geduldiger Kärrner-Arbeit Natur- und Umweltschutz vorangetrieben werden. Schleswig-Holstein ist ein gutes Beispiel dafür, wie bürgerliches Engagement und amtliche Bemühungen dem Schutzgedanken – trotz mancher Widerstände von Seiten der Landwirte und Fischer – weiterhelfen.

Jüngstes Beispiel für solches Bemühen, allgemeines Einverständnis für neue Schutzprogramme zu finden, ist der Landschaftsplan für die Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde und die Städte Kiel und Neumünster. "Das Landschaftsprogramm ist ein neues Planungs- und Steuerungsinstrument für den Naturschutz im Lande. Es gilt, die Entwicklung des Landes schon frühzeitig unter ökologischen Gesichtspunkten zu gestalten", so Landesumweltminister Rainder Steenblock bei der Vorstellung des Plans. "Das Landschaftsprogramm will Möglichkeiten aufzeigen, wie wir die verschiedenen Ansprüche, die wir alle an die Natur, unsere Umwelt und die Landschaft stellen, vorausschauend umweltverträglich gestalten können."

Dem Minister schwebt eine ökologische Modellregion Schleswig-Holstein vor. Ein solches Vorhaben läßt sich nur gemeinschaftlich verwirklichen. Deshalb legt der Minister großen Wert auf eine intensive öffentliche Diskussion. Ziel des Programmes ist es, bestehende Konflikte beim Umgang mit Natur und Landschaft auszuräumen und künftig zu vermeiden. Dem dient ein integratives flächendeckendes Konzept. Zielvorstellungen und Leitbilder für die Landschaften, Zielformulierungen für die Naturgüter Boden, Wasser, Luft und Klima, Arten- und Lebensgemeinschaften, Landschaft und Erholung sind der Kern des Programms. Sie bilden den Rahmen, der durch Landschafts- und Grünordnungspläne ausgefüllt werden sollen.

Das Landschaftsprogramm ordnet die Landschaften drei Funktionsräumen mit unterschiedlichen Wertstufen zu. Im Funktionsraum I gelten die höchsten Ansprüche. Hier werden Gebiete von herausragender Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz erfaßt. Diese sind Schwerpunkt für die Ausweisung von nationalen oder internationalen Schutzgebieten (Nationalparks, Naturschutzgebiete, Flora-Fauna-Habitat-Gebiete, bedeutsame Feuchtgebiete nach der Ramsar-Konvention). Diese Räume umfassen etwa zehn Prozent der Landesfläche.

Im Funktionsraum II soll der Naturschutz bei Vorhaben und Planungen stärker berücksichtigt werden, aber Nutzung und Schutz sollen Hand in Hand gehen. Das betrifft Gebiete des Biotopverbundsystems, Wasserschutzgebiete, Talräume von Fließgewässern, erosionsgefährdete Bereiche, Naturerlebnisräume, Naturparks, Landschaftsschutzgebiete und Wälder – immerhin 50 bis 60 Prozent der Landesfläche.

Naturschutz darf sich nicht in Detailfragen aufreiben

Die verbleibenden 30 bis 40 Prozent werden dem Funktionsraum III zugeordnet, der aus Landessicht nicht besonders schützenswert ist. Dieser Planungsraum zeichnet sich durch eine hohe landschaftliche Vielfalt aus und umfaßt Geest und Vorgeest ebenso wie das Östliche Hügelland, weitläufige Gutslandschaften, aber auch kleinräumig strukturierte, kleinbäuerlich geprägte Landschaften. Die beiden größten Seen des Landes – der Große Plöner See und der Selenter See – liegen in diesem Raum. Ausdruck der Verbindung zwischen dem Wert der Landschaften für Naturschutz und Tourismus sind die vier Naturparks Hüttener Berge, Westensee, Aukrug und Holsteinische Schweiz. Herausragende Bedeutung für den Arten- und Biotopschutz haben die Flachwasserbereiche an der Ostseeküste, die Talräume von Eider und Schwentine oder die Hochmoore wie zum Beispiel das Dosenmoor.

Der Entwurf des Landschaftsprogramms beschreibt die für den Naturschutz wichtigen Gebiete und schlägt Erweiterungen vor: die Ausweisung des Fockbeker Moors als Naturschutzgebiet, die Prüfung des Großen Plöner Sees nach der EU-Vogelschutzrichtlinie und die Ausweisung des Dosenmoors als international bedeutsames Feuchtgebiet.

Das Landschaftsprogramm beschreibt die Ostseeküste entlang der Eckernförder Bucht als geomorphologisch schützenswerten Landschaftsausschnitt. Die Nutzung darf diese Landschaftsstruktur nicht beeinträchtigen. Gleiches gilt für alle anderen Erholungslandschaften – Hüttener Berge, Westenseegebiet, Holsteinische Schweiz. Nach den Zielvorstellungen der Regierung sind sowohl vertraglich vereinbarter Naturschutz, Ankauf von Flächen als auch die Ausweisung neuer Schutzgebiete Wege, die zu einem ökologisch vertretbaren Fortschritt beitragen können. Allerdings: "Der Naturschutz darf sich nicht in Detailfragen aufreiben", so in kluger Zurückhaltung Steenblock unlängst in Rendsburg.

Der Minister sprach sich dafür aus, flexibler mit den Nutzungsinteressen potentieller Verbündeter umzugehen, stärker den Blick auf die Gemeinsamkeit von Schutz und Nutzung zu legen: Privates Engagement müsse mehr honoriert werden, um so dafür stärkere Anreize zu schaffen. "Viele Menschen stehen dem Naturschutz mit großem Wohlwollen gegenüber", so der Minister. "Bei konkreten Maßnahmen oder Projekten aber fühlen sie sich ausgegrenzt und in ihrem Engagement entmündigt." Der amtliche Naturschutz müsse Raum lassen für eigene Ideen und eigenverantwortliches Handeln. Bessere Kommunikation sei erforderlich. So schlug der Minister vor, private Waldbesitzer, die ihre Wälder naturgemäß bewirtschaften und so schützenswerte Wälder geschaffen haben, durch Vereinbarung von ordnungsrechtlichen Auflagen auszunehmen. Freiwillige Vereinbarungen zwischen Naturschutz und Nutzern würden schneller zu einem Ergebnis führen als langwierige Schutzgebietsverfahren. Alle Seiten müßten bei der Konfliktbewältigung professioneller werden. Es gelte, Kulturlandschaft und Natur dauerhaft zu erhalten. Daran müßten Lebens- und Wirtschaftsweisen ausgerichtet werden. Natur- und Landschaftsschutz müßten zum festen Bestandteil des politischen und behördlichen Handelns werden. An solchem Handeln fehlt es in Schleswig-Holstein durchaus nicht. So hat das Bundesumweltministerium die schleswig-holsteinischen Vorschläge zur Ausweisung von Flora-Fauna-Habitat- und Vogelschutzgebieten der EU-Kommission gemeldet. Die Vorschläge umfassen über zwei Prozent der Landesfläche: 95 Naturschutzgebiete und den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Ziel ist ein EU-weites Netz von Schutzgebieten unter der Bezeichnung "Natura 2000".


 
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