© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/98 07. August 1998

 
Bundestagswahl: Meinungsumfragen versprechen hohes rechtes Wählerpotential
Rechte im Bundestag?
von Dieter Stein

In dem amerikanischen Kinofilm "Armageddon", der dieser Tage in den deutschen Kinos angelaufen ist, nähert sich ein gigantischer Meteorit der Erde. Zuvor aber schlagen als "Vorwarnung" einige kleine steinerne Vorboten auf dem Planeten ein und verwüsten mal eben New York und Paris. Nur durch eine dramatische Raumfahrtexpedition unter Leitung von Harry Stamper (Bruce Willis) gelingt es, den alles vernichtenden Felsbrocken durch eine atomare Sprengung von der Erde abzulenken.

Nicht weniger dramatisch schätzen Bonner Politiker die Lage sechs Wochen vor der Bundestagswahl ein: Alarmstufe Rot. Das donnernde Wahlkampfgetöse, das vom Team der SPD-"Kampa" und den Strategen der Union aus dem Konrad-Adenauer-Haus in Bonn entfacht wird, trifft nicht das Gehör der Wähler. Gleich dem Meteoriten in "Armageddon" nähert sich eine Bedrohung dem Regierungszentrum, die man für unmöglich gehalten hatte: eine rechte Partei im Bundestag! Erste kleinere "Meteoritenschläge" waren schon in Baden-Württemberg, Hamburg und zuletzt Sachsen-Anhalt in Form rechter Wahlerfolge zu verzeichnen gewesen. Nach jüngsten Umfragen stehen die Chancen hierfür so gut wie seit 30 Jahren nicht. 1969 war die NPD unter der Führung Adolf von Thaddens nur knapp mit 4,3 Prozent gescheitert. Parteienforscher siedeln das momentane Wählerpotential für eine rechte Partei bei sechs bis sogar zehn Prozent an.

Ein Bruce Willis ist nicht zu entdecken, der die Bonner noch einmal rauspauken könnte. Die Preisfrage ist eher, ob es einer der konkurrierenden rechten Parteien überhaupt gelingt, dieses Potential auch auszuschöpfen. Auf dem Wahlzettel stehen ein halbes Dutzend Parteien, die nun unter höchstem Einsatz um diese Wähler kämpfen. Und dies unversöhnlicher denn je. So stellt die Süddeutsche Zeitung in einer neuesten Analyse fest: "Die drei rechtsextremen Parteien NPD, Republikaner und DVU sind zu unterschiedlich, um sich auf einen gemeinsamen Ansturm auf das Parlament zu einigen. Sie marschieren und schlagen getrennt."

Die letzten Wahlkämpfe haben gezeigt, daß die Parteien, hinter denen sich deutlich andere Politikentwürfe, Personen und ein unterschiedliches Verständnis innerparteilicher Demokratie verbergen, mit ähnlichen Parolen und Profil um die Gunst der Wähler werben. Die meisten Wähler unterscheiden deshalb auch nicht zwischen den Konkurrenten, sondern wollen wissen, wer der stärkste ist – und der wird gewählt. Was sie wollen, ist relativ simpel: Abbau der Arbeitslosigkeit, stärkere Berücksichtigung nationaler Interessen, Begrenzung der Zuwanderung, Bewahrung des Nationalstaates und Ablehnung des Euro.

Seit der Landtagswahl von Sachsen-Anhalt, wo die DVU mit 12,9 Prozent in den Landtag einziehen konnte, ist diese Partei in der öffentlichen Wahrnehmung die stärkste Kraft. Bei aktuellen Umfragen teilen sich aber die Republikaner mit drei Prozent und die DVU mit zwei Prozent die rechten Wählerstimmen auf.

Aufsehen erregte die DVU auch dadurch, daß ihr Parteichef Frey dem ehemaligen Intimfeind Franz Schönhuber den Spitzenplatz auf der bayerischen Landesliste anbot und ihn damit zum Star des DVU-Wahlkampfes kürte. Mit Schönhuber hofft Frey, die Republikaner im Falle eines bundesweiten Durchmarsches leichter beerben zu können.

Ein letzter und psychologisch entscheidender Testlauf für die Bundestagswahl ist allerdings die Wahl zum bayerischen Landtag, die zwei Wochen vor dem bundesweiten Urnengang am 13. September stattfindet. Hier hat die DVU aus schwer nachzuvollziehenden Gründen auf eine Teilnahme verzichtet. Dies könnte sich als riskanter Schachzug entpuppen. Wenn es den konkurrierenden Republikanern am 13. September gelingt, in den bayerischen Landtag einzuziehen, dann ist für die DVU kurz vor der Ziellinie der Ruf als einer Siegerpartei verpufft. Umfragen sehen die Republikaner in Bayern derzeit stabil bei fünf Prozent.

Wenn den Republikanern die Trendwende in Bayern nicht gelingt, ist mit einem Einzug der DVU in den Bundestag zu rechnen. Und – ob es Parteipolitikern in konkurrierenden Formationen paßt oder nicht – dem rechten Wähler ist dies allemal lieber, als wenn es wieder kein Korrektiv im Parlament gibt, das den etablierten Parteien einen Schuß vor den Bug gibt.


 
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