© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    35/98 21. August 1998


Bildungspolitik: Die Integration junger Ausländer in Deutschland läßt nach
Ohne Abschluß ins Berufsleben
Gerhard Quast
 

"Wir bemühen uns inzwischen um eine Integration deutscher Schüler in ausländischen Klassen", gestand der Konrektor der Neuköllner Heinrich-Heine-Realschule, Klaus Uckel, bei einer Anhörung der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus. So absurd diese Aussage klingen mag, in einigen Stadtteilen Berlins gehört genau das zum Tagesgeschäft eines deutschen Lehrers. Zwar ist der Ausländeranteil in Berlin mit rund 13 Prozent nicht außergewöhnlich hoch; die rund 440.000 Ausländer sind jedoch keineswegs gleichmäßig über die Stadt verteilt, sondern konzentrieren sich auf regelrechte Ausländer-Ghettos in den westlichen Bezirken der Stadt.

Daß in besagter Realschule 65 Prozent der Schüler nichtdeutscher – meist türkischer – Herkunft und Klassen mit einem Ausländeranteil von 80 Prozent keine Ausnahme sind, ist kein Einzelfall. In den Hauptschulen der Bezirke Charlottenburg, Kreuzberg, Neukölln, Schöneberg, Tiergarten und Wedding liegt der Anteil der "Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache" – einschließlich der Kinder Eingebürgerter, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind – bei weit über 50 Prozent. "Normales" Lernen ist in diesen Schulen kaum mehr möglich. Erschwerend kommt hinzu, daß viele Kinder vor der Einschulung mit der deutschen Sprache kaum in Berührung gekommen sind. "In Teilen Kreuzbergs ist es ja nicht mehr nötig, Deutsch zu können", zitiert der Tagesspiegel den Leiter der Peterson-Schule, Dietmar Pagel.

Daß angesichts dieser Entwicklung Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) eine Auflösung der Ghettos fordert, verwundert kaum, schon jetzt ist dort die Arbeitslosenquote unverhältnismäßig hoch: In Kreuzberg sind knapp 30 Prozent arbeitslos, bei den Jugendlichen ist sogar jeder zweite ohne Anstellung. Verantwortlich dafür sei die fehlende Qualifizierung, insbesondere mangelnde Sprachkenntnisse. Darauf hat im September 1997 das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hingewiesen: 88 Prozent aller arbeitslosen Ausländer (gegenüber 32 Prozent bei den Deutschen) waren ohne Berufsabschluß.

Angesichts dieser Tatsachen stimmt eine vom Deutschen Institut für Wirtschaftforschung (DIW) in Berlin im Juni vorgelegte Studie über die "Integration junger Ausländer in das Bildungssystem" nicht gerade optimistisch. "Früher hatten sich in der Bundesrepublik bei ausländischen Kindern und Jugendlichen Teilnahme und Erfolg in der Schule und der beruflichen Ausbildung kontinuierlich verbessert. Diese Entwicklung schwächte sich aber in der ersten Hälfte der 90er Jahre ab. Es gab sogar Rückschritte, hauptsächlich bei der beruflichen Ausbildung junger ausländischer Männer", so das Fazit.

Wie das DIW darlegt, besuchen ausländische Kinder und Jugendliche relativ häufiger als deutsche Haupt- und Sonderschulen. Dies habe sich in den letzten Jahren sogar verstärkt, während der ohnehin geringe Anteil der Ausländer, die Realschulen oder Gymnasien besuchen, kontinuierlich sank und inzwischen bei 8,5 bzw. 9,4 Prozent liegt.

Auch die Erfolgsquote der Ausländer liegt laut DIW deutlich unter der der Deutschen: Der Anteil Ausländer, die 1996 die Schule beendeten, betrug bundesweit 9,6 Prozent, bei den Schulabgängern ohne Hauptschulabschluß hingegen 21,4 Prozent. Bei den deutschen Schülern lag diese Quote mit knapp neun Prozent weit darunter. Dies wiederum hatte Auswirkungen auf den Abschluß eines Lehrvertrages, so daß überdurchschnittlich viele der Ausländer, die an Berufsschulen unterrichtet werden, arbeitslos oder ohne Ausbildungsvertrag erwerbstätig seien, so das DIW. 1996 habe sich diese Tendenz weiter verstärkt. Die Zahl ausländischer Lehrlinge nehme ab, die der Deutschen zu.

Im Klartext heißt das: Obwohl die meisten ausländischen Schüler im Inland geboren und regulär eingeschult worden sind, muß die Integration der jungen Ausländer in das deutsche Bildungssystem als gescheitert angesehen werden. Die dritte Generation ausländischer Mitbürger hat sich entgegen aller Vorhersagen nicht integrieren lassen. Abhilfe ist nicht in Sicht, solange die Ausländerkinder zu Hause ihre Herkunftssprache erlernen und auch in den Ausländer-Ghettos kaum mit deutschen Kindern in Kontakt kommen.


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