© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/98 11. September 1998

 
Landtagswahl Bayern: Das bürgerliche Protestpotential macht der CSU zu schaffen
Ein Wunder an der Isar?
von Dieter Stein

Wenn die bürgerlichen Parteien in drei Wochen trotzdem die Wahlen gewinnen wollten, müßte entweder ein Wunder geschehen, das einen Last-minute-Swing auslöst – oder die bisher zusammengetragenen Umfragedaten müßten falsch sein." Was die FAZ kurz vor der bayerischen Landtagswahl beschreibt, ist bittere Realität für die Regierungskoalition in Bonn.

Wenn am 13. September, dem kommenden Sonntag, in Bayern die Wahllokale geschlossen werden, blickt das politische Bonn gebannt auf die Monitore. Daß die SPD trotz der quirligen, nicht unsympathischen Heide Schmidt nicht aus dem 30-Prozent-Ghetto herauskommt, ist klar. Dazu haben die Bayern viel zu sehr eine angestammte Zurückhaltung gegen die SPD, die als preußisch gilt. Und zu sehr sind Traditionsbewußt-sein und Konservatismus in diesem süddeutschen Volksstamm verwurzelt.

Gebannt wird man auf die schwarze Säule der CSU schauen. Wie hoch klettert der Balken nach 18.00 Uhr bei der ersten Hochrechnung? Wird er überhaupt noch die 50-Prozent-Marke erreichen? Die stets siegessicher von Franz Josef Strauß vorgetragene Erfolgsformel der CSU, "50 % plus X", wurde jetzt zu einem Stoßgebet der alleinregierenden Staatspartei unter Edmund Stoiber.

Das Protestpotential, das trotz der traditionellen Integrationskraft der CSU in Bayern groß wie lange nicht ist, wird sich bei bürgerlich-rechten Listen niederschlagen. Da sind die Republikaner, deren ursprüngliches Stammland Bayern ist. Im November 1983 war die Partei von zwei Ex-CSU-Bundestagsabgeordneten (Franz Handlos und Ekkehard Voigt) in München gegründet worden. Bis zur Etablierung der Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg blieb Bayern der stärkste Landesverband dieser Partei. Die Rep-Raute, das Parteilogo, ist auch den bayerischen blau-weißen Rauten entlehnt.

Ungewöhnlich stark ist in Bayern die Grünen-Abspaltung "Ökologisch-Demokratische Partei" (ÖDP), die um bürgerliche Wähler der Mitte wirbt, denen die Grünen nach wie vor zu exotisch und links sind. Die ÖDP hatte auch erfolgreich den Volksentscheid für die Abschaffung des Senats, der zweiten Kammer des bayerischen Parlaments, initiiert, was zu einer empfindlichen Niederlage der CSU und zur Steigerung des Bekanntheitsgrades der ÖDP führte.

Fraglich ist, inwieweit die kommunal stark verankerten Freien Wähler wie auch die traditionsreiche Bayernpartei auf landespolitischer Ebene punkten können. Auch sie konkurrieren in erster Linie mit der CSU und könnten unentschlossenen Wählern, die sich nicht mehr zur Wahl der CSU durchringen können, den Absprung erleichtern.

Schließlich kandidiert in Bayern auch der nationalliberale Bund Freier Bürger (BFB) des bayerischen Politikers Manfred Brunner. Bayerischen Wählern ist er als langjähriger Landesvorsitzender der FDP und Münchner Stadtrat bekannt. Auch für den BFB ist Bayern dadurch eine Art Stammland, das überhaupt dafür berühmt ist, besonders rebellische Naturen hervorgebracht zu haben.

Nicht in Bayern angetreten ist die "Deutsche Volksunion" (DVU) des in München ansässigen und aus dem oberpfälzischen Cham stammenden Nationalzeitungs-Verlegers Gerhard Frey. Die Bedeutung der bayerischen Landtagswahl als Stimmungsbarometer und Test vor der zwei Wochen später stattfindenden Bundestagswahl war offenbar unterschätzt worden. Frey und sein bayerischer Spitzenkandidat für die Bundestagswahl, Schönhuber, fürchten nun einen Achtungserfolg und Einzug der Republikaner in den Landtag, der der DVU als Protestpartei die Schau stehlen könnte. Der Bundesvorstand der DVU hat deshalb vergangene Woche in einem Aufruf erklärt, jeder müsse sich bei der Bayernwahl entscheiden, "ob er der heutigen CSU trotz ihrer Verirrungen seine Stimme geben will". Wer der CSU eine Absage erteilen wolle, habe die Möglichkeit, Freie Wähler oder den BFB zu wählen. Von der Wahl der Republikaner wird ausdrücklich abgeraten.

Weil der Einzug aller kleinen Parteien – einschließlich der Grünen und der FDP – fraglich ist, ist es sehr wahrscheinlich, daß die CSU nach dem 13. September die absolute Mehrheit der Parlamentssitze auch dann behält, wenn sie weniger als 50 Prozent der Stimmen erhalten sollte.

Ob es in Bayern für die Bonner Regierung zum "Wunder an der Isar" im Sinne des zitierten FAZ-Beitrages kommt, der demoskopische Trend noch einmal nachhaltig beeinflußt wird und Kohls derzeit unausweichliche Niederlage abgewendet wird? Das zu glauben, fällt schwer.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen