© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/98 11. September 1998

 
Fußball-Arbeiter
von Achim T. Volz

Am Ende war es nur noch Krampf. Hans-Hubert Vogts aus Kleinenbroich war 1990 in die übermächtig großen Schuhe eines Franz The Kaiser Beckenbauer geschlüpft. Er hatte dessenWeltmeisterelf übernommen und in der Folge nicht bloß sportlich um seine Anerkennung in der Öffentlichkeit zu kämpfen. Als erster Teamchef nach der Wiedervereinigung betreute der "Bundes-Berti" das sportliche Flaggschiff Gesamtdeutschlands für mehr als einhundert Länderspiele; der Ergebnisstatistik zufolge schneidet er besser ab als sein lichtgestaltiger Vorgänger. Dennoch hat Vogts nun nach acht Jahren resigniert aufgegeben. Der Druck der Medien und Massen war für den harmoniebedürftigen Familienmenschen Vogts zuletzt "überdimensional" (Günter Netzer) geworden.

Warum nützt dem Zurückgetretenen seine Erfolgsstatistik (bloß zwölf Niederlagen) nichts? Zum einen gingen (mit einer Ausnahme) just die wichtigsten Spiele verloren: 1992 das Finale der Europameisterschaft gegen Dänemark, die als Ersatz für die vom Turnier ausgeschlossenen "Rest-Jugoslawen" hatten einspringen dürfen. Zum ersten Mal driftete die Manier, in der "Bertis Buben" verloren, ins Lächerliche. Ebenso schlafmützig flog die Elf 1994 in den USA gegen Bulgarien aus dem WM-Viertelfinale;1998 wiederholte sich der blamable Vorgang gegen Kroatien. In einem Zwischenhoch gewann Vogts’ Truppe die Europameisterschaft 1996, die Chemie zwischen Berti und der Fußballnation stimmte. Doch die Kritik, er lasse Fußball "arbeiten" statt spielen, verstummte selbst damals nicht. Erfolgreich hatte der bekennende C-Konservative auf deutsche Tugenden gesetzt: kampfkräftige Physis, nachhaltiger Siegeswille und Disziplin – Ballkunst und Spielwitz gingen unterdessen verloren. Doch setzte der Fußballkonsument des RTL-Zeitalters nicht bloß den Sieg voraus, sondern beanspruchte nahezu ruppig, showsportlich optimal unterhalten zu werden.

Zum anderen scheiterte der gewesene Teamchef wohl in erster Linie daran, daß er "keine Mischung von Gottschalk und Copperfield" (Vogts) ist. Er versteht sich nicht aufs Entertainment; sachlich-spröde ging er seiner Verbandsarbeit nach. Derlei paßte nicht mehr in die Erlebnisgesellschaft. Dem Vogtsschen Abgang dürft Ende September der seines Wegbereiters Kohl folgen; im Oktober geht dann sein Verbandschef, der paralysiert wirkende DFB-Großalmosenier Braun. Mayer-Vorfelder hält sich schon in den Kulissen bereit; der CDU-Landesminister wird die Durchkapitalisierung des Fußballsportes vorantreiben, die Multi-Kulti-Liga "irreversibel" machen und sportpolitisch dafür sorgen, das Europäisches in den Vordergrund und Nationales in den Hintergrund tritt. Bundestrainer 2000? Joschka Fischer übernehmen Sie.


 
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