© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    42/98  09. Oktober 1998

 
 
Zeitschriftenkritik: "analyse & kritik"
Links und fundiert
Werner Olles

"Zeitung für linke Debatte und Praxis" nennt sich das Nachfolgeorgan des legendären Arbeiterkampf im Untertitel. Geblieben sind die Abkürzung "ak", an die Freund und Feind sich seit Jahrzehnten gewöhnt hatten, sowie das Format und äußere Erscheinungsbild. Als Herausgeber des nunmehr im 28. Jahrgangs erscheinenden Blattes zeichnet nach der Spaltung des Hamburger Kommunistischen Bundes (KB) jetzt eine sogenannte KB-Mehrheit. Die Höhe der Auflage wird mit 3.100 Exemplaren angegeben. analyse und kritik erscheint im Vier-Wochen-Rhythmus in einem Umfang von 36 Seiten, von denen die Rubriken "Internationales", "Faschismus/Antifaschismus" und "Kampf dem Rassismus" den größten Raum einnehmen. "Wirtschaft und Soziales", "Umwelt", "Linke" und "aktuell" haben dagegen erheblich weniger Gewicht.

In der jüngsten Ausgabe finden sich eine ganze Reihe gut fundierter Artikel und Aufsätze. So nimmt sich Anna Bartels, Rechtsextremismus-Expertin des ak das "Braunbuch DVU" des Jungle World und Konkret-Autors Jürgen Elsässer vor, dem sie "antinationale, autoritäre und patriarchale Positionen" vorwirft und seine Psychologisierung der DVU in der Luft zerreißt. Gut recherchiert ist auch ihr Beitrag über "Jugendliche in national befreiten Zonen", wenngleich man ihre Konklusionen gewiß nicht teilen muß.

Im "Internationales"-Teil fallen besonders zwei Beiträge über Tony Blairs "New Labour" positiv auf. Der marxistische Soziologe Bob Jessop bezeichnet Blairs Politik als "Thatcherismus mit menschlichem Antlitz" und analysiert den Bruch des britischen Premiers mit der traditionellen sozialdemokratischen Politik. In der Konsolidierung und Fortsetzung der neoliberalen Wirtschaftspolitik Thatchers durch "New Labour" sieht Jessop allerdings auch eine kontinuierliche Transformation in eine Strategie des "welfare into work" nach der amerikanischen Methode und dem Vorbild Bill Clintons. Der Autor rätselt hier noch, inwieweit Schröder – als neuer deutscher Bundeskanzler – diesem offenbar nicht ganz erfolglosen Modell nacheifern wird.

Höchst aufschlußreich und informativ ist auch ein Artikel von Dietrich von Schulze-Marmeling über die "Real IRA". Solche ausgezeichnet recherchierten und fundierten Beiträge würde man sich auch einmal in einer nicht-linken Zeitung oder Zeitschrift wünschen. Gisela Wuttkes Aufsatz über "Kinderprostitution und Tourismus" hingegen ist in seiner doch etwas penetranten Männerfeindlichkeit streckenweise arg simplifizierend.

Über "Esoterik und die Linke" schreibt Maria Wölfingseder, Psychologin und Redakteurin der Zeitschrift Weg und Ziel. Sie vergleicht die Esoterik-Bewegung in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung mit der 68er Bewegung und konstatiert, daß große Teile der Linken nach den Umwälzungen von 1989 zur Esoterik übergewechselt sind. Sie definiert Esoterik als "Auswirkung der kapitalistischen Verhältnisse", die wiederum "das Resultat der Aufklärung sind."

"analyse & kritik" erscheint vierwöchentlich im Verlag Analyse & Kritik, Rombergstr. 10, 20255 Hamburg. Abopreis jährlich 90 DM, Einzelpreis 7,50 DM.


 
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