© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/98  23. Oktober 1998

 
 
Staatsbürgerrecht: Die rot-grüne Regierung schafft sich ein anderes Volk
Rassismus nach innen
Hans-Georg Münster

Alle Staatsgewalt gehe vom Volk aus, heißt es im Bonner Grundgesetz. Der Grundsatz ist schwer zu verändern. Helmut Kohl hat versucht, ihn anzugreifen, indem er immer mehr Staatsgewalt an die Europäische Kommission und ihre demokratisch nicht legitimierten Strukturen abtrat. Durch die Brüsseler Rätediktatur ist das deutsche Volk bereits ein Stück weit entmachtet worden. Rot-Grün geht ganz andere Wege: SPD-Chef Oskar Lafontaine, der neue Kanzler Gerhard Schröder und der vor Jahren grün gewordene Altkommunist Jürgen Trittin brauen sich durch Masseneinbürgerung ein neues Volk zusammen.

Erwartet werden kann nach den Koalitionsvereinbarungen zur Einbürgerung und zur doppelten Staatsbürgerschaft, daß sich die Zahl der Bundesbürger besonders in den westdeutschen Ballungsgebieten und in Berlin, weniger in der Ex-DDR, bald drastisch erhöhen wird. Die SPD-Rechtspolitikerin Herta Däubler-Gmelin rechnete bereits hocherfreut vor, daß zwei bis drei der über sieben Millionen Ausländer einen deutschen Paß beantragen könnten. Die Neuregelung sieht vor, daß Ausländer bereits nach acht Jahren Aufenthalt einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung bekommen statt wie bisher nach 15 Jahren. Außerdem wird die doppelte Staatsbürgerschaft, bisher ein regelmäßiges Hindernis, akzeptiert. Bei anhaltender Zuwanderung dürfte die Zahl der Ausländer mit Rechtsanspruch auf Einbürgerung in zehn Jahren bei etwa acht Millionen liegen. Parallel dazu sinkt die Zahl der "herkömmlichen" deutschen Bundesbürger wegen Überalterung und Geburtenrückgang.

Außerdem werden schätzungsweise 50.000 Ausländerkinder pro Jahr direkt nach der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit auch ohne Zustimmung der Eltern erhalten, innerhalb von zehn Jahren also 500.000. Auch hier ist eine fremde Staatsbürgerschaft kein Hindernis mehr. Einziger Vorbehalt ist jetzt nur noch, daß mindestens ein Elternteil vor dem 14. Lebensjahr nach Deutschland eingereist ist. Die Regelung ist zutiefst ausländerfeindlich, weil sie den Eltern das Recht nimmt, über die Staatsangehörigkeit ihrer minderjährigen Kinder zu bestimmen. In 20 Jahren, wenn dann eine Million ausländische Bundesbürger durch Geburt das reproduktionsfähige Alter erreicht haben, dürfte es zu einer Inflationierung der Zahl durch die Geburtenfreudigkeit dieser Bevölkerungsschicht kommen.

Die Änderungen werden von den Unionsparteien als "ebenso revolutionärer wie verhängnisvoller Umbruch" abgelehnt. Eine "Einbürgerung zum Nulltarif" bringe keine Integration, beklagt Rupert Scholz (CDU). Scholz meint, die Doppelstaatlichkeit "greift an die Grundlagen der Identität des deutschen Staatsvolkes". Doch das deutsche Volk hat mehrheitlich rot-grün und damit auch das Einbürgerungsprogramm gewählt.

Gerade wegen des bisherigen Verbots der doppelten Staatsbürgerschaft hielt sich die Zahl der Einbürgerungen in engen Grenzen. So wurde 1996 rund 102.000 Ausländern die Staatsbürgerschaft verliehen, 1997 waren es 83.000. SPD und Grüne erwarten natürlich, daß von den zusätzlich Wahlberechtigten langfristig ihre Position gestärkt wird, weil die ausländische Bevölkerung nicht zum bürgerlichen Milieu von Union und FDP zu zählen sein dürfte. Was aber wird sein, wenn sich ethnische Parteien bilden, die mit den Vorstellungen des multikulturellen Ökofeminismus nicht konform gehen? Für diese Vertreter nationaler Minderheiten gilt keine Fünf-Prozent-Klausel. Sie könnten bereits mit wenigen Stimmenprozenten in den Parlamenten ihre Stimme für Blutrache, Vielehe, Verbot von Schweinefleisch und Minirock sowie Pflicht des Kopftuchtragens erheben.

Die Wähler werden jetzt Zeugen eines der größten bevölkerungspolitischen Experimente der Geschichte: Noch nie hat ein funktionierendes Staatsgebilde – es sei denn, es wurde dazu militärisch gezwungen – massenhaft unkontrollierte Einwanderung zugelassen. Klassische Einwanderungsländer selektieren genau nach Bildung, Qualifikation, Vermögen und Rasse. Der deutsche Rassismus nach innen wird jetzt zum Lehrstück der Weltpolitik, da alle anderen Versuche, sich ein neues Staatsvolk zu schaffen, stets vom gegenteiligen Bemühen ausgingen: Erich Honeckers DDR zum Beispiel versuchte, ein sozialistisches Staatsvolk zu schaffen, indem Störenfriede ausgewiesen und den nicht mehr werktätigen, aber kostenträchtigen Rentnern die Ausreise nahegelegt wurde. Honeckers Versuch schlug fehl, aber immerhin könnte die DDR als letzter rein deutscher Staat in die Geschichte eingehen.


 
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