© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/98  23. Oktober 1998

 
 
Regierungsbildung: Stollmann schmeißt nach Kompetenzgerangel das Handtuch
Ausstieg eines Quereinsteigers
Michael Oelmann

Ein junger, dynamischer und erfolgreicher Unternehmer – dieser Typus paßte gut ins Image-Konzept von Gerhard Schröder. Als Schröder seinen Wirtschaftsminister-Kandidaten Jost Stollmann Mitte des Jahres vorstellte, sollte dieser die "Neue Mitte" repräsentieren. Unabhängige Fachleute und Macher, praxisnahe Businesstypen – eben "Kompetenz von außen", so Schröder – sollten der "alten Dame SPD" die Morgenröte des Aufbruchs in ein neues Deutschland auf die Wangen zaubern.

Aus und vorbei. Seit Montag dieser Woche ist Schluß mit lustig. Entnervt hat Stollmann das Handtuch geworfen, just kurz bevor in der nächsten Woche das neue rot-grüne Kabinett vereidigt werden wird. Vorausgegangen war eine derbe Demontage Stollmanns und seines anvisierten Amtes. Der künftige Finanzminister Lafontaine hatte – wohl auch gegen seinen Kanzler Schröder, wie Insider verlautbarten – wesentliche Kompetenzen des Wirtschaftsministeriums an sein Finanzministerium gezogen. Für den Jahreswirtschaftsbericht, die Struktur- und Europapolitik ist künftig Lafontaine verantwortlich; der geschrumpfte Wirtschaftsminister damit auf einen "Minister für Messeeröffnungen" reduziert, wie CDU/CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble süffisant anmerkte.

Die "Demontage" des Wirtschaftsministeriums sei für ihn nicht tragbar gewesen, begründete Jost Stollmann denn auch bei einer Pressekonferenz am Montag in Bonn seinen Verzicht auf das Ministeramt. So sei das Mitwirken an einer Trendwende am Arbeitsmarkt "nicht vorstellbar".

Lafontaines Zugriff geschah wohl nur zur einen Hälfte, um als "Superminister" eines erweiterten Finanzministeriums nicht nur innerparteilich, sondern auch formell die Hosen im Kabinett anzuhaben. Schon jetzt gilt der SPD-Parteivorsitzende vielen Beobachtern als eine Art Nebenkanzler. Zur anderen Hälfte dürfte es ihm eine Herzensangelegenheit gewesen zu sein, den unverblümten Seiteneinsteiger und von der Linken schwer in die Kritik geratenen Stollmann zu desavouieren.

Verkniffen genötigt hatte die Parteilinke die wirtschaftsliberalen Positionen des Ex-Computer-Unternehmers Stollmann in Wahlkampfzeiten hingenommen. Die Liste der Provokationen, die Stollmann in seinen spärlichen Auftritten den Sozialdemokraten zumutete, war lang. Noch kurz vor der Bundestagswahl hatte er mit seinen Äußerungen zum Sozialstaat ("Gefängnis für Nomralverdiener") und zum Kindergeld SPD-Linke und Gewerkschafter zum Kochen gebracht. Zu allem Überfluß war Stollmann gar jahrelanges CDU-Mitglied. Schon früh munkelten führende SPD-Macher wie Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering oder der Sozialexperte der Bundestagsfraktion, Rudolf Dressler, eher offen als versteckt, daß ein Mann wie Stollmann nicht gegen das Parteiprogramm agieren könne.

Stollmanns Abgang symbolisiert denn auch augenscheinlich den Widerspruch zwischen dem modernen Schröder-Image und der Realität des tatsächlichen Lafontaine-Kurses. Im altlinken Regelungs- und Ausgabendenken der neuen Regierung ist kein Platz für Wirtschaftsliberale.

So begründete Stollmann seinen Abgang auch mit der sichtlichen Ernüchterung über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen, die keinen Rahmen für eine ausgewogene Angebots- und Nachfragepolitik geschaffen haben. Auch bei der Steuerreform fehle es an "unternehmerischer Erfahrung". Er habe sich bei den Verhandlungen zwar "zu Wort gemeldet", sagte Stollmann. Aber die Vorstellung, mit welcher Kompetenz und Autorität er dies wohl getan hat, mutet eher komisch an. Stollmann hatte sich in seiner ganzen Zeit als designierter Minister nach eher peinlichen ersten Auftritten regelrecht versteckt; eine Internet-Homepage war der virtuelle Anwesenheitsersatz in der politischen Auseinandersetzung.

Stollmanns augenscheinliche Unbedarftheit hatte ihm selbst die Wirtschaft nicht als Pech eines politischen Anfängers durchgehen lassen. Die Qualifikation des zwar eloquenten, aber fachlich nicht versierten Jung-Millionärs im Vorruhestand war in Wirtschaftskreisen umstritten. Trotz Milliardenumsätzen im Computergeschäft, hatte Stollmann selbst in der Branche nie den Namen, den sich Schröder für seine Wahlkampfzwecke erfolgreich zunutze machte. Wohl ist Stollmann zugute zu halten, daß er aus der Sicht eines mittelständischen Unternehmers dachte und nicht, wie sein designierter Nachfolger, der Ex-Veba-Mann Werner Müller, als Manager eines Großkonzerns. Für den Mittelstand dürfte der Ersatzmann daher kaum Hoffnung versprechen, die Großindustrie dagegen kann sich – wie schon die Zugeständnisse bei der Energiesteuer zeigen – auf weiter anhaltendes warmes Klima in der neuen Regierung freuen.

Der ehedem sympathische junge Wahlfänger Stollmann jedenfalls – er steht nun als betrogener Betrüger dar: Dienst erfüllt, die "Neue Mitte" kann "wegtreten" (Noch-CDU Generalsekretär Peter Hintze). Nicht nur der Opposition schwant, daß das "Feigenblatt" Stollmann als "trojanischer Esel" (CSU-Landesgruppenchef Michael Glos) ein gutgemachter Bluff war. Immerhin: Jost Stollmann hat genug Ehre im Leib , das bittere Spiel als "Grüßaugust" (Stollmann) nicht weiter mitzuspielen.


 
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