© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    44/98  23. Oktober 1998

 
 
Zitate

"Es ist ein Erfahrungswert, daß die Menschen nach einer gewissen Zeit eine Sache oder eine Person satthaben. In der Politik kann man davon ausgehen, daß dieser Zustand nach einem Dutzend Jahren erreicht ist. Wenn wie bei Helmut Kohl die Wiedervereinigung oder bei Margret Thatcher die Falklandinseln dazwischenkamen, kann dieser Zustand länger anhalten. Selbst Konrad Adenauer hat dieses erfahren müssen. (…) Warum sollte es Helmut Kohl anders ergehen? (…) Offenbar hat er auch nach der Wahl 1994 das richtige Gefühl gehabt und kundgetan, nicht mehr für die Kanzlerschaft kandidieren zu wollen. Dies wäre klug gewesen. Offenbar haben ihn andere davon überzeugt, es noch einmal machen zu sollen. Vielleicht ließ er sich auch leicht überzeugen, weil fast alle Menschen eitel sind. Aber das war ein entscheidender Fehler."

Heinrich Lummer, ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter, im "Ostpreußenblatt" vom 17. Oktober 1998

"Jetzt also die doppelte Staatsbürgerschaft. (…) Der Beschluß ziele darauf, Deutschland ausländerfreundlicher zu machen. Richtig so. Doch ist die doppelte Staatsbürgerschaft hierfür das richtige Mittel? Man hat Grund zu vermuten, daß Fremdenfeindlichkeit hierzulande auch von den Folgen unreflektierter Zuwanderungs- und Multikulti-Schwärmerei genährt wird. Jeder länger in Deutschland lebende, sich nach Recht und Gesetz verhaltende Ausländer sollte die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben können. Keine Frage. Aber warum die doppelte? Wenn jemand hier bleiben und hier wählen will, dann soll er sich entscheiden: für Deutschland, gegen – zum Beispiel – Albanien. Wenn jemand aber nur in Deutschland Geld verdienen will, dann kann er das tun. Doch hierfür reicht Gastrecht, es bedarf keines Wahlrechts."

Mathias Döpfner, Chefredakteur der Tageszeitung "Die Welt", in der Ausgabe vom 16. Oktober 1998

"Mangelnde Ehrlichkeit in Bezug auf Versagen und Verdrängnis in Sachen Furcht und Elend des Kommunismus muß sich eher die politische Klasse Westdeutschlands vorwerfen lassen. Die ach so berühmten 68er, die nächste Woche in Bonn als Minister vereidigt werden sollen, haben sich schließlich auf westlichen Straßen und Plätzen unter den Bildern von Massenmördern versammelt. Ohne jeden Zwang. Aber aus Freude an der politischen Schamlosigkeit. Während Gleichaltrigen in der DDR nur die Wahl zwischen Flucht, Widerstand und Anpassung verblieb (wir mutigen Westler hätten uns an deren Stelle selbstverständlich nur für den Widerstand entschieden)."

Peter Gauweiler in der Wochenzeitung "Welt am Sonntag" vom 18. Oktober 1998

"Vor der Fusion mit der Westpartei war das Bündnis 90 in allen ostdeutschen Landtagen vertreten. Heute gibt es im Osten keine bündnisgrüne Landtagsfraktion mehr. Die letzte, die in Sachsen-Anhalt, hat sich durch die Liaison mit der PDS selbst überflüssig gemacht. (…) Der Unmut beim ostdeutschen Bündnis 90, seit 1993 mit den Grünen assoziiert, wächst. Die Partei der Bürgerrechtler ist längst zur Beute der Westgrünen geworden. Der Assoziationsvertrag, der bei der Fusion die Gleichberechtigung der beiden Partner garantieren sollte, wurde keine zwei Jahre später von linken Parteitaktikern kaltblütig ausgehebelt. Es ist nur konsequent, wenn immer vernehmlicher gefordert wird, das Bündnis 90 wieder aus dem Parteinamen zu streichen und die Grünen das zu nennen, was sie sind: eine westdeutsche Regionalpartei. Die Ignoranz gegenüber den Bürgerrechtlern jedenfalls hilft vor allem der politischen Konkurrenz linksaußen, der PDS. Die kann sich verstärkt als Hüterin ostdeutscher Interessen aufspielen und voll Häme auf ihre Gegenspieler weisen, die zwar nicht von der SED, aber von den Westlinken schachmatt gesetzt worden sind. Deren eiskalter Kaderpolitik ist niemand aus dem Osten gewachsen. Das war noch nie deutlicher als jetzt bei der Regierungsbildung."

Konrad Weiß, 1990 bis 1994 grüner Bundestagsabgeordneter, in der Tageszeitung "Die Welt" vom 20. Oktober 1998


 
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