© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/98  30. Oktober 1998

 
 
Meck-Pomm: SPD und PDS wollen koalieren
Große Aufgabe
Andreas Lange

In Mecklenburg-Vorpommern wird es aller Voraussicht nach eine SPD/PDS-Regierung geben. Dies ist keine plötzliche Katastrophe, die unvorhergesehen über das Land hereinbricht, sondern Konsequenz eines seit 1990 laufenden Prozesses der stetigen Aufwertung der PDS. Gregor Gysi wird seit der Wende von Talkshow zu Talk-show gereicht. Er darf in jede Kamera lächeln. Mit Mord, Folter und Terror in der DDR mußten er und seine Partei sich nie ernsthaft auseinandersetzen. Die PDS hatte es leicht, die blutigen Verbrechen als Entgleisungen eines an sich guten Kommunismus darzustellen. Die Frage, ob ein System gut sein kann, daß solche Untaten hervorbringt, mußte sie nicht beantworten. So konnte die PDS sich als demokratische und tolerante Partei profilieren.

Grund für die wachsende Akzeptanz der PDS ist aber auch die Unzufriedenheit vieler Menschen mit dem westlichen Politik- und Gesellschaftssystem. Schnell haben sie entdeckt, daß die "alte BRD" vor großen Problemen steht, für die keine Lösung in Sicht ist. Die PDS hat zwar auch keine Lösung, aber sie prangert dafür einige Probleme um so stärker an. Dies läßt sie als Interessenvertreterin der Armen und Schwachen erscheinen.

Die vielleicht wichtigste Ursache für den PDS-Erfolg ist jedoch die Spaltung zwischen Ost und West. Die einigende Kraft, die Liebe zu Deutschland war nicht stark genug, um das Trennende zu überwinden. Dies wird auch so bleiben, solange unter Deutscher Einheit nur die ökonomische Angleichung beider Teile gesehen wird. Die PDS greift die Ost-Identität auf, spielt teilweise die Menschen jenseits und diesseits der Elbe gegeneinander aus und bindet so eine große Zahl Wähler an sich. Alle diese Gründe haben dazu geführt, daß die PDS Stück für Stück mehr Ansehen und Einfluß erlangte. Heute gilt sie in den Medien und weiten Teilen der Öffentlichkeit als normale Partei. Da verwundert es nicht, daß die SPD mit der PDS koaliert, um die Macht in Mecklenburg-Vorpommern zu übernehmen. Es ist zu erwarten, daß sich diese Entwicklung auch in anderen Neuen Ländern fortsetzt.

Dies ist aber kein Grund für Weltuntergangsstimmung. Auch wenn viele es bedauern, die Regierung von SPD und PDS ist legitim. Wer eine andere Regierung möchte, muß Alternativen bieten und die Menschen davon überzeugen. Wie aber können diese Alternativen aussehen? Zuerst muß der Begriff "Deutsche Einheit" überdacht werden. Deutsche Einheit bedeutet nicht nur, daß Ost und West zusammenwachsen, sich möglichst nahe kommen und die unterschiedlichen Lebensverhältnisse sich angleichen. Einheit bedeutet auch das Zusammenwirken von Menschen verschiedener Altersstufen, Schichten, Berufe, Konfessionen, Weltanschauungen und Landesteile für die gemeinsame Heimat Deutschland. Es geht dabei nicht um die Beseitigung von Unterschieden. Im Gegenteil, die verschiedenen Erfahrungen und Talente sind erwünscht, wenn sie dem Ziel dienen, Deutschland und damit die Menschen voranzubringen. Dann braucht der Osten auch keine angebliche Interessenvertretung, dann sind alle Interessenvertreter Deutschlands.

Genauso wichtig ist es, daß sich das politische Klima in Deutschland ändert. In allen Parteien muß mehr Offenheit, Toleranz und Neugier herrschen. Es kann nicht sein, daß viele Vorschläge nur deshalb abgelehnt werden, weil sie aus einer anderen Partei kommen. Es kann auch nicht sein, daß Parteien bestimmte Realitäten ausblenden, um so ihr Weltbild zu erhalten. Deshalb ist der Dialog der verschiedenen politischen Meinungen untereinander wichtiger als krampfhafte Abgrenzung und Anfeindung. Es ist auch zu leicht, die PDS nur als undemokratische Partei abzutun. In der PDS gibt es viele Mitglieder, die aus Idealismus mitarbeiten und besonders auf Kommunalebene gute Arbeit leisten.

Konservative Wertvorstellungen, die ein Gegengewicht zur PDS bilden, müssen wieder neue Strahlkraft bekommen. Es muß für alle deutlich werden, daß Werte wie Freiheit und Vielfalt, christliche Nächstenliebe, Familie, Liebe zu Deutschland, Gerechtigkeit, Marktwirtschaft und Sicherheit nicht veraltet, sondern zeitgemäß wie nie sind. Ein Politiker sollte das Ziel haben, Diener des Volkes zu sein und ihm trotzdem nicht nach dem Munde reden. Wer dieses Ziel nicht hat, sollte sofort mit Politik aufhören. Gerade die CDU steht hier vor einer großen Aufgabe. Sie ist die einzige Opposition im Landtag. Ausgehend von einer erneuerten und gefestigten Wertebasis muß sie Lösungen für die Alltagspolitik anbieten. In der Jugend, die mit den angeblich "Jungen Wilden" nichts zu tun hat, wächst der Wille dazu.

Im übrigen gilt immer noch, daß ein Volk die Regierung hat, die es verdient. Wer also mit den bestehenden Verhältnissen nicht einverstanden ist, muß etwas tun, damit sie sich bessern.


 
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