© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    45/98  30. Oktober 1998

 
 
Hessen: CDU-Politiker wird als "geistiger Brandstifter" diffamiert / Parteiführung schweigt
Konservative im Stich gelassen
Werner Olles

Nachdem bislang unbekannte Täter in der Nacht zum 19. Oktober einen Brandanschlag auf ein von einer Roma-Familie bewohntes Haus im Frankfurter Stadtteil Fechenheim verübt haben, indem sie eine mit Brandbeschleuniger gefüllte und mit einer Lunte versehene Flasche ins Treppenhaus des Gebäudes schleuderten, versuchen die Grünen im Römer den CDU-Fraktionsvorsitzenden im Fechenheimer Ortsbeirat, Wolfgang Bodenstedt, als "geistigen Brandstifter" zu diffamieren.

Die Roma-Union warf Bodenstedt vor, "die Opfer zu Tätern zu machen", Jutta Ebeling, grüne Dezernentin für multikulturelle Angelegenheiten, und die Sprecherin der Frankfurter Grünen, Sarah Sorge, forderten Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) und den Frankfurter CDU-Vorsitzenden Corts auf, Bodenstedt dazu zu bewegen, den Ortsbeirat und die CDU zu verlassen.

Vorausgegangen war eine Diskussion im Fechenheimer Ortsbeirat, in der Bodenstedt die Meinung vertreten hatte, daß die Roma-Familie auch selbst dazu beigetragen habe, den Streit zwischen den deutschen Anwohnern der Willmannstraße und den Roma eskalieren zu lassen. Daher trage sie "ein gerütteltes Maß an Schuld" an der jetzigen angespannten Situation. Tatsächlich hatten sich in den vergangenen Monaten Betteleien, Belästigungen von Passanten und Ladendiebstähle in diesem hauptsächlich von Arbeitern und einfachen Leuten bewohnten Viertel des ehemaligen Industriestadtteils gehäuft.

Bereits während der Ortsbeiratssitzung hatte der Pfarrer der zuständigen Herz-Jesu-Gemeinde den CDU-Vertretern im Ortsbeirat vorgeworfen, daß nunmehr "eine Saat aufgegangen" sei, die durch fremdenfeindliche Äußerungen von CDU-Mitgliedern provoziert worden sei. Die CDU-Fraktion wies die Anschuldigungen zurück und machte deutlich, daß auch sie den Anschlag auf das Roma-Haus entschieden verurteilt; solche Straftaten seien in keinem Fall zu billigen.

Trotzdem schossen sich besonders die Frankfurter Grünen auf Wolfgang Bodenstedt ein, dem sie eine ganze Serie angeblich ausländerfeindlicher Äußerungen während der letzten Jahre vorhielten. Die Frankfurter CDU müsse sich endlich von ihrem "rechten Rand" abgrenzen, forderte Grünen-Sprecherin Sorge und lancierte in der Stadtverordnetenversammlung einen Antrag mit dem Titel "Frankfurt darf keine Plattform für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus sein". Zu den Äußerungen von Bodenstedt heißt es darin, daß die Stadtverordnetenversammlung sich "nachdrücklich von diesen fremdenfeindlichen und intoleranten Äußerungen distanziert, sich solchen verbalen Anschlägen widersetzt und an die historische Verantwortung gegenüber Roma und Sinti erinnert".

Mit Ausnahme der Republikaner-Fraktion, die sich nicht in der Lage sah, Bodenstedt einen "Maulkorb" zu verpassen, stimmten alle Fraktionen dem Grünen-Antrag zu. Auch die Römer-CDU erklärte, sie habe kein Verständnis für irgendwelche Erklärungsversuche. Zwar sei man nicht Vorgesetzte der Ortsbeiräte, aber wenn jemand Verständnis für Gewalt aufbringe, dann stoße dies auf den entschiedenen Widerstand der Fraktion. Der Frankfurter CDU-Vorsitzende Corts kündigte an, sich in der nächsten Sitzung des Kreisvorstandes mit dem "Verhalten" Bodenstedts zu befassen.

Ähnlich wie im Fall des CDU-Vorsitzenden im Lahn-Dill-Kreis, Hans-Jürgen Irmer, der ins Schußfeld von Grünen und SPD geriet, weil er das frühere Republikaner-Mitglied Boris Rupp für die Union gewann, sehen sich konservative CDU-Politiker wie Bodenstedt mehr und mehr der Kritik von Linken und Liberalen ausgesetzt.

Irmer gibt in Wetzlar ein Anzeigenblatt heraus, das nach Ansicht der Grünen an "dumpfe, niederste Instinkte appelliert", die SPD sieht "rechte Propaganda am Werk" und erregt sich, daß die CDU "Rechtsauslegern" wie Irmer und Rupp, der inzwischen zum kulturpolitischen Sprecher der Wetzlarer Union avanciert ist, das bildungs- und kulturpolitische Feld überlasse.

Während Irmer, der auch Landesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlich-Demokratischer Lehrer ist, Boris Rupp als einen in der kulturpolitischen Wetzlarer Szene allseits anerkannten Politiker verteidigte, kam von der hessischen CDU-Führung bislang kein Wort. Ihr gelten Lokalpolitiker wie Bodenstedt und Irmer inzwischen offenbar selbst als Ärgernis, weil sich beide offen zum rechten Flügel der Union bekennen.


 
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