© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    46/98  06. November 1998

 
 
Ein Angebot unter vielen
von Helmut Matthies

Drei große Transparente kündigen vor der Münsterlandhalle Veranstaltungen an: Links wird auf die dort stattfindende EKD-Synode hingewiesen, daneben auf "Holiday on Ice" und die Schlagerparade "Golden Oldies". Ein ungewolltes Symbol: Kirche ist heute nur noch ein Angebot unter vielen und nicht mehr von der Mehrheit der Bürger als wesentlich akzeptiert. Die letzten Tage haben es in besonderer Weise offenbart: Noch nie verzichteten so viele bei ihrem Eid auf den Zusatz: "So wahr mir Gott helfe."

Es war merkwürdig zu erleben, wie die EKD-Spitze versuchte, diesen Verzicht als ohne große Bedeutung hinzustellen, ja, ihm sogar die Möglichkeit zuzuerkennen, sich vielleicht sogar wegen besonders großen Glaubens versagt zu haben, etwa weil man das Verbot zu schwören in der Bergpredigt beachten wollte. Welch schöne Illusion! Denn so gut wie alle, die verzichteten, haben ja auch ansonsten bekannt, daß sie mit Gott nichts anfangen können.

Der EKD-Ratsvorsitzende Manfred Kock hat im ersten Rechenschaftsbericht nach seiner Wahl vor einem Jahr ansonsten nüchtern die Lage der Kirche analysiert und die Notwendigkeit des christlichen Zeugnisses betont. Das aber sollte auch gegenüber der neuen Regierung gelten wie gegenüber den Ausländern! Letzteres ein Lieblingsthea der EKD, wie sich auch auf der Synode zeigt. Die geradezu gebetsmühlenhafte Forderung, sich mehr für Asylbewerber, Ausländer und Flüchtlinge einzusetzen, geht an der Wirklichkeit in Deutschland vorbei. Kein Land Europas wird von Ausländern so bevorzugt wie Deutschland. Kein Land gibt zum Beispiel so viel Geld für Flüchtlinge wie Deutschland. Wäre das der Fall, wenn es hier Ausländerfeindlichkeit gäbe? Es stimmt natürlich: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." Aber zu den Nächsten gehören auch die deutschen Mitbürger. Geradezu gefährliche Folgen könnte die auch jetzt wieder seitens der EKD ständig hervorgehobene Forderung nach einer doppelten Staatsangehörigkeit haben, führt sie doch zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft. Denn durch sie werden Ausländer bevorzugt, können sie doch entscheiden, in welchem Staat sie jeweils weniger Pflichten nachkommen müssen, also zum Beispiel einen kürzeren Wehrdienst leisten brauchen. Diese Privilegierung könnte tatsächlich einmal zu Ausländerfeindlichkeit führen. Die EKD lehnt wie die katholische Kirche eine Doppelmitgliedschaft ab: Entweder man ist evangelisch oder man ist katholisch. Wer auch nur auf die Idee käme, eine Doppelmitgliedschaft zu praktizieren, hätte als Pfarrer disziplinarische Folgen zu erwarten. Warum soll es dann gut sein, daß Menschen sich nicht zwischen zwei Staaten zu entscheiden brauchen?


 
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