© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Nach dem Wechsel: Die Unionsparteien haben den Auftrag zum Widerstand gegen Rot-Grün
Ein bißchen Protest
Dieter Stein

Mit dem Begriff der "Berliner Republik" mochten sich führende Politiker der CDU auf ihrem Bundesparteitag, der am vergangenen Sonntag in Bonn stattfand, nicht anfreunden. Der scheidende Vorsitzende Kohl bemerkte in seiner Abschiedsrede, "modische Begriffsbildungen wie ’Bonner Republik’ und ’Berliner Republik’" lehne er "ganz entschieden" ab. Denn: Die Berliner Republik drohe zu einer "Roten Republik zu werden". Dem ist auch so.

Seit der vergangenen Woche ist die SED-Nachfolgepartei PDS in Mecklenburg-Vorpommern in einer Koalitionsregierung mit der SPD an der Macht beteiligt. Helmut Holter, PDS-Landesvorsitzender und nun stellvertretender Ministerpräsident ist damit aus der SED-Nomenklatur derjenige, dem der höchste Wiederaufstieg gelungen ist. Holter (siehe auch Porträt Seite 3) war in der DDR Bezirkssekretär der SED. Folge: Bundesinnenminister Schily will nun die Beobachtung der PDS durch den Verfassungsschutz beenden. Würden die Aufgaben des Verfassungsschutzes aus Vernunft beschränkt, weil der parteipolitische Mißbrauch dieser Behörde problematisch ist – dann wäre dies zu begrüßen. Nun aber wird aus blankem Opportunismus, weil sich die SPD in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Koalition mit den "systemoppositionellen" Postkommunisten eigelassen hat, der Geheimdienst einseitig gestoppt.

Deutschland ist nun definitiv auf dem Wege zu einer "DDR light". Neun Jahre nach dem Fall der Mauer ist das Bewußtsein für den totalen Bankrott des Sozialismus tot, nun steht der PDS auf dem Weg zur Regierungsbeteiligung in anderen Bundesländern und womöglich im Bund nichts mehr im Wege.

Dem Siegeszug linker Regierungsbündnisse in Deutschland steht derzeit eine schwache bürgerliche Opposition gegenüber. Die CDU hat am Wochenende zwar die Köpfe in der ersten Reihe ausgetauscht, doch fehlen ihr noch Idee und Überzeugungskraft, was sie der Schröder-Fischer-Lafontaine-Trittin-Regierung entgegenhalten will. Im Gegenteil, dem Kurs auf die "Neue Mitte" der SPD droht nun die CDU mit weiterer Anpassung und Anbiederung entgegen zutreten, ja, die Partei müsse sogar "noch liberaler" werden, droht Volker Rühe.

Dabei sind die Chancen einer harten Opposition in Deutschland erstklassig. Schröder verspielt derzeit die einmalige Chance, den Regierungswechsel zu nutzen, um notwendige rabiate Reformen durchzuführen. Statt dessen findet in altbekannter Manier mickrige Klientelpolitik statt, wird durch den neuen Bundestagspräsidenten als allererstes über Diätenerhöhung philosophiert und eine popelige Steuerreform verabschiedet, bei der die Regierungsmitglieder rote Ohren bekommen müßten: Statt einer "Jobmaschine" kam ein Steuererhöhungs- und Wirtschaftslähmungsprogramm erster Güte heraus.

In der Erwiderung auf die Regierungserklärung sprach der CDU-Chef Schäuble von zwei grundlegend verschiedenen Menschenbildern, die zwischen Regierung und Opposition bestünden. Hier ist Schäuble auf dem richtigen Dampfer. Der CDU war es nach dem Regierungswechsel 1969 und der Kanzlerschaft Willy Brandts gelungen, mit einer Polarisierung ("Freiheit statt Sozialismus") absolute Mehrheiten wiederzuerringen. Nun hat sich aber das Parteiensystem verändert. Hinzugekommen sind die Grünen, die PDS und gegebenenfalls – je nach Bundesland – eine Rechtspartei. Die FDP ist inzwischen in vier von 16 Landtagen nicht mehr vertreten. Es ist fraglich, ob sie angesichts des Verlustes der Regierungsbeteiligung in Bonn überhaupt noch eine Zukunft hat. Keine Partei profitierte so sehr vom Ämterbonus wie sie.

Angesichts dieser Lage bringt Schäuble schwarz-grüne Koalitionen ins Spiel. Warum? Selbst bei einem Verschwinden der FDP kann die SPD inzwischen unter drei Koalitionsmöglichkeiten wählen: Rot-Grün, Große Koalition und – nach dem Sündenfall in Schwerin – Rot-Rot. Der CDU bliebe nur noch die Daueropposition, wenn sie keine absoluten Mehrheiten erreichen kann. Und da sie eine rechte, konservative parlamentarische Alternative stets verhindert und für koalitionsunwürdig erklärt hat, bleibt ihr nur die Möglichkeit, über die Grünen strukturelle Mehrheiten gegen die SPD zu organisieren.

Diese Position nimmt der CDU die Möglichkeit, sich entschiedener von der Regierung abzuheben. Widerstand gegen die rotgrünen Experimente, insbesondere beim Staatsbürgerrecht, ist deshalb von der CDU nur schwach zu erwarten. Die Chancen einer bürgerlich-rechten Oppositionspartei werden deshalb größer.


 
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