© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Deutsche Sprache: Lufthansa-Mitarbeiter sollen Anglizismen verwenden
Wer deutsch spricht, fliegt
Claus-M. Wolfschlag

Die Durchsetzung der deutschen Sprache mit Anglizismen greift immer mehr um sich. Der Trend zum oft belächelten "Engleutsch" erweist sich als Unterwerfung gegenüber der Kultur jenseits des "großen Teiches". Telefonanbieter werben mit der "Private Hour" im "DirectLine Privat-Tarif". Sekretärinnen erklären dem überraschten Anrufer, daß ihr Chef bei einem "meeting" stecke, und Telefonmarketing-Mitarbeitern wird eingeschärft, daß sie ihre Verkäufe nicht als solche, sondern als "sales" auf ihrem Arbeitszettel zu vermerken hätten. Zuwiderhandlung, Gebrauch der Muttersprache, kann mit Arbeitsplatzverlust durch die Konzernleitung bestraft werden.

Der Ingenieur Peter Vogelsang, angestellt bei der Lufthansa Technik AG in Frankfurt, mußte dies nun am eigenen Leib zu spüren bekommen. "Time frame", "alert line" – "alles Blödsinn" erkannte er, dachte sich, daß er mit seinen deutschen Kollegen in einer deutschen Firma im dienstinternen Schriftverkehr "ganz banale Dinge" auch in verständlichen deutschen Worten ausdrücken könne. Daher tauschte er Anglizismen mehrfach durch deutsche Vokabeln aus. Das allerdings hat die Geschäftsleitung der Lufthansa AG sehr verärgert. Sie mahnte den Unangepaßten ab und drohte mit Entlassung, da Vogelsang "Manipulationen" begangen hätte.

Die Lufthansa Technik beschuldigte Vogelsang eines klaren Verstoßes gegen die Dienstanweisung, in welcher "die Benutzung spezifischer Fachausdrücke zweifelsfrei geregelt" sei. Die eigenmächtige Verwendung deutscher Ausdrücke hätte "zu zusätzlichem Arbeits- und Zeitaufwand geführt", da sich die deutschen Begriffe nicht in den "offiziellen Arbeitsunterlagen" finden würden. Da Vogelsang Tragflächen statt "wings" oder Triebwerk statt "engine" gebraucht hatte, hätte er Begriffe verwendet, die "nicht dem Standard eines Wartungsbetriebes für Luftfahrtgerät" entsprochen hätten.

Der 52jährige Vogelsang klagt nun gegen die "Disziplinierungsversuche" beim Arbeitsgericht Frankfurt. Der Betriebsrat hat sich hinter ihn gestellt, der Prozeß ist für nächstes Frühjahr anberaumt. Einen Mentor hat Vogelsang in Professor Walter Krämer vom "Verein zur Wahrung der deutschen Sprache" gefunden, der sich verärgert zeigte: "Jetzt sind wir soweit: Wer in Deutschland Deutsch spricht, muß um seinen Arbeitsplatz fürchten."

Die Erkenntnis ist überdeutlich. Sprache soll aus Profit- und Rationalisierungsgründen auf das Niveau globalistischer Wortmixturen genormt werden, dengegenüber der Gebrauch der Muttersprache repressiv zurückgestutzt werden muß. Die Benutzung von Deutsch im beruflichen Spektrum dürfte somit in Zukunft immer öfter einen rebellischen Akt darstellen. Man darf gespannt sein, wieviele Kulturrebellen dem Vorbild Peter Vogelsangs folgen und den Konzernen diese Normierung versalzen.


 
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