© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
CD: Klassik
Glanz und Süsse
Julia Poser

Fast wäre aus der 1939 im slowakischen Uhorska Vest geborenen Lucia Popp ein Filmstar geworden. Nach ihrem Studium an der Preßburger Theaterakademie wurde sie sofort für zwei Filme engagiert. Ihre Gesangslehrerin konnte sie jedoch davon überzeugen, daß ihre stimmlichen Qualitäten größer wären als ihr schauspielerisches Talent.

Ein erster Erfolg der 23jährigen war dann ein Auftritt in Preßburg als Königin der Nacht. Als der Dirigent Otto Klemperer für seine Salzburger "Zauberflöte" eine besondere und nicht nur zwitschernde Königin der Nacht suchte, wurde ihm Lucia Popp vorgeschlagen, denn von anderen Koloratursopranen unterschied sich ihre Stimme durch ein volles, warmes Timbre. Sie kam, sang und siegte. Die beim Vorsingen zufällig anwesende Sängerin Elisabeth Schwarzkopf umarmte die junge Lucia mit den Worten: "Sie sind ein Wundertier!" 1964 war sie die aufregendste Königin der Nacht.

Damit begann eine kometenhafte Karriere und ihr internationaler Durchbruch. Sie wurde an der Wiener Staatsoper engagiert, der sie bis zu ihrem Tod treu blieb. Mit großem Fleiß und der Fähigkeit, neue Partien schnell zu lernen, hatte sie sich ein außergewöhnliches großes Repertoire erarbeitet. Nach ihrem letzten Auftritt als sternflammende Königin an der New Yorker Met begann sie 1971 den wohlüberlegten Wechsel vom Koloratursopran ins lyrische Fach. Sie sang die großen Mozartpartien, die "Rosenkavalier"-Marschallin, die Arabella und, in kluger Bescheidung, zuerst nur die Eva in den "Meistersingern". Neben der Oper gehörte ihre Liebe dem Lied. Als Brahms- und Mahler-Interpretin wurde sie vor allem von Leonard Bernstein geschätzt.

Aus ihrem umfangreichen Repertoire an Opernpartien hat die Firma ARTS ein einzigartiges Dokument ihres vielseitigen Könnens zusammengestellt. Begleitet vom Münchner Rundfunkorchester unter dem Dirigenten Kurt Eichhorn, singt Lucia Popp mit betörend schöner Stimme zehn Arien, die sie 1982 auf dem Höhepunkt ihrer Kunst aufgenommen hat. Bewegend besingt sie Paminas tiefe Trauer in der "Zauberflöte". All ihren stimmlichen Glanz und ihr technisches Können zeigt sie in der großen Agathe-Arie aus dem "Freischütz" von Carl Maria von Weber: "Wie nahte mir der Schlummer". Schwebend leicht führt sie ihre Stimme und krönt die Phrase "welch schöne Nacht" mit einem strahlenden Fis.

Innige Süsse legt sie in Gildas Arie aus Verdis "Rigoletto". Voll schmerzlicher Zartheit ist ihre "Figaro"-Gräfin, perfekt ihre Diktion in zwei französischen Arien, "Manon" und "Louise", während sie in Smetanas "Verkaufter Braut" und Dvoraks "Rusalka" im heimischen Idiom den ganzen Reichtum ihres Soprans ausbreitet.

Auf der Brahms und Mahler gewidmeten CD singt Lucia Popp, begleitet von Geoffrey Parsons, heitere und nachdenkliche Lieder. Hier beweist sie ihre Meisterschaft in dieser schweren Kunst. Die beiden preiswerten CDs sind eine glänzende Würdigung der zu früh verstorbenen "Primadonna des Parlando", wie sie der Spiegel bezeichnet hat – Lucia Popp erlag am 16. November 1993 in München einem Krebsleiden, vier Tage nach ihrem 54. Geburtstag – und ein ideales Geschenk für jeden Opernfreund. (Opern Arien, ARTS 47517-2, Brahms und Mahler-Lieder, ARTS 47367-2).


 
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