© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    47/98  13. November 1998

 
 
Zitate

"Am Ende des Jahrhunderts, dem Auschwitz seinen bösen Stempel aufgedrückte, besteht durchaus Anlaß, auch die Geschichte der Erinnerungspolitik kritisch zu mustern. Schärft die unentwegte Vergegenwärtigung des Zivilisationsbruchs tatsächlich die moralische und politische Urteilskraft? Ist das "Nie wieder" nicht die hohlste aller Phrasen? Wenn das Gedenken weiterhin erschüttern soll, muß es das Rituelle und das Monumentale meiden."

Eckhard Fuhr in einem Kommentar in der "FAZ" vom 10. November 1998

 

"Während Jenninger seinen Dienst quittieren muß, wird Walser weithin gefeiert. Wären der Ton der Jenninger-Rede heute, der Ton der Walser-Rede vor zehn Jahren vorstellbar gewesen? Die veränderte Atmosphäre ist unverkennbar, die Vermutung kaum mehr von der Hand zu weisen, daß sich heute ein neuer Gedächtnisdiskurs kristallisiert, in dem das epidemische, staatlich ritualisierte und betonierende Gedenken sich dem Ende zu bewegt."

Michal Bodemann, Soziologe in Toronto, in der "taz" vom 9. November 1998

 

"Nur noch in Spanien und Irland werden die Regierungen von konservativen Parteien gebildet. In den anderen Ländern haben sich die Parteien gespalten, sind dauerhaft unter die 30-Prozentgrenze gesunken und haben auch mittelfristig keine Hoffnung die Regierungsmacht zu erobern. Dieses Damoklesschwert schwebt über der CDU/CSU und wird deshalb als Disziplinierungsinstanz eingesetzt, um eine drohende Spaltung der Union zu verhindern. Im Zeitalter der zunehmenden Europäisierung besitzt der europäische Konservatismus also keine starke Stimme mehr, um die bürgerliche Mitte im europäischen Konzert angemessen zu repräsentieren und auf den weiteren Gang von Europa einen entscheidenden Einfluß zu nehmen. Dies ist vielleicht die entscheidende Zäsur, die wir augenblicklich in Europa erleben. Auch dies ist ein Ergebnis der Bundestagswahl."

Wolfgang Schröder, Referent beim Vorstand der IG Metall, in "Die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte" 11/98, November 1998

 

"Schäuble beschimpfte Schröder als ’Kanzler der Beliebigkeit‘. Aber eine Opposition, die es nicht wagt, ihr Profil programmatisch zu schärfen, und wie eine schwarz angestrichene Sozialdemokratie erscheint, wird nicht beliebt, sondern selbst beliebig."

Mathias Döpfner in einem Kommentar zum CDU-Parteitag in der "Welt" vom 9. November 1998

 

"Im Westen sieht man immer nur dann Gefahren, wenn rechtsradikaler Mob im Osten marschiert. Doch die Rechtsaußen-Parteien sind dabei, sich als mentale Entlastung für den frustierten Kleinbürger Ost anzubieten. Der rechte Sozialpopulismus, der den benachteiligten Volksgenossen anspricht und die soziale Schieflage geißelt, trifft sich bis in kleinste Formulierungen mit dem, was aus dem Nährboden der PDS herauswächst, getreu der Formel: kollektiver Osten gegen ausbeuterischen Westen. Da entwickelt sich ein Potential künftiger Symbiose zwischen PDS und Rechtsextremen."

Wolfgang Templin, ehemaliger DDR-Bürgerrechtler, in einem "Focus"-Interview vom 9. November 1998


 
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