© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    48/98  20. November 1998

 
 
Klimakonferenz: Die Weltgemeinschaft streitet über Emissionen
Fragen statt Antworten
Gerhard Quast

Knapp zwei Wochen lang stritten in Buenos Aires Delegierte aus 161 Staaten über die Umsetzung des Klimaprotokolls von Kyoto. Am Ende stand ein Ergebnis, das man "als Erfolg bezeichnen" könne, so jedenfalls der bündnisgrüne Umweltminister Jürgen Trittin, der kurz vor Ende der 4. UN-Klimakonferenz eigens in die argentinische Hauptstadt flog, um das Ruder in letzter Minute herumzureißen.

Der letztendlich verabschiedete "Aktionsplan von Buenos Aires" sieht nun vor, daß bis Ende 2000 die wichtigsten Entscheidungen zur Reduktion der Treibhausgasemissionen getroffen sein sollen. Bei dem Zeitplan handelt es sich im Prinzip jedoch lediglich um einen Katalog von 138 Fragen. Fragen, für deren Beantwortung eigentlich seit dem Klimagipfel von Kyoto vor elf Monaten Zeit genug gewesen wäre. Einer dieser offenen Punkte ist beispielsweise der geplante Handel mit Verschmutzungslizenzen, der es Staaten mit vermindertem Ausstoß von Treibhausgasen ermöglichen soll, ihre "Emissionsquoten" an andere Staaten zu veräußern. Zudem soll der Technologietransfer in die Entwicklungsländer gefördert werden. Auch die Frage, auf welches Maß die Emissionen im eigenen Land reduziert werden können, ist bislang ungelöst.

Besonders der "Emissionshandel" sorgte für Unstimmigkeiten. Rußland und die Ukraine, deren Treibhausgas-emissionen aufgrund des Zusammenbruchs großer Industriezweige zurückgingen, möchten diese "Einsparungen" verkaufen. Als potentester Käufer dieser "heißen Luft" bietet sich bereits die USA an. Auch vielen Entwicklungsländern möchte Washington das Recht auf Emissionen abkaufen. Der weltgrößte Umweltverschmutzer möchte sich damit von Verpflichtungen zur Reduktion der Treibhausgase "freikaufen", ohne tiefgreifendere Maßnahmen im eigenen Land durchführen zu müssen, die möglicherweise zu Lasten der Konkurrenzfähigkeit gehen könnten. Selbst diese Frage, die schon beim Kyoto-Gipfel für Unruhe sorgte und unbeantwortet blieb, harrt ihrer Beantwortung. Offen blieb auch die Frage, ob die ölproduzierenden Länder der OPEC Ausgleichszahlungen dafür erhalten, daß sie durch die geplanten Klimaschutzmaßnahmen Einnahmeverluste hinnehmen müssen.

Der neuerliche Klimagipfel ist somit nicht einmal über das hinaus gekommen, was vor einem Jahr schon beschlossene Sache war. Damals verpflichteten sich die Industriestaaten, ihren Ausstoß an klimaschädlichen Treibhausgasen bis zum Jahr 2012 um 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu verringern. Über die Umsetzung dieses Beschlusses sollte im Detail auf dieser Konferenz beraten werden. Statt dessen wurde "der Stillstand festgeschrieben", so der Klimaexperte der Umweltstiftung WWF-Deutschland, Stephan Singer. Und auch der für Umwelt zuständige Vize der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Müller, widersprach Trittins Bewertung. Der "desaströse Klimagipfel" sei insbesondere durch eines gekennzeichnet gewesen: "Nullergebnisse".

Doch selbst der Kompromiß von Kyoto ist von seiner Wirksamkeit noch weit entfernt. Zwar haben die USA am letzten Donnerstag als 60. Staat das Protokoll unterzeichnet, US-Präsident Clinton will das Klima-Abkommen aber erst dann dem Senat zur Ratifizierung vorlegen, wenn sich auch die wichtigsten Schwellenländer am Schutz des Klimas beteiligen. Rechtskräftig ist das Abkommen im übrigen erst dann, wenn es von mindestens 55 Staaten ratifiziert wurde, auf die 55 Prozent aller Industriestaaten-Emissionen entfallen. Bislang haben jedoch erst zwei Staaten das Protokoll in nationales Recht umgesetzt: die Fidschi-Inseln und Antigua.


 
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