© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    49/98  27. November 1998

 
 
Schweiz: Den Eidgenossen steht ein Abstimmungs-Wochenende bevor
Tips und Tricks beim Anschaffen
Philippe P. Mägerle

Am 29. November werden in der Schweiz auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene zahlreiche Abstimmungen stattfinden. Gesamteidgenössisch stehen vier Vorlagen an, von denen jedoch nur bei zwei ein Wahlkampf geführt wird: Die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs (Finöv), die den Bau zweier Eisenbahntunnels durch die Alpen beinhaltet, und die von linken Kreisen eingereichte Drogenlegalisierungsinitiative (Droleg), die den Konsum von Rauschgift straffrei machen will.

Während die Droleg-Initianten mit Sicherheit eine Kanterniederlage werden einstecken müssen – was diese jedoch nicht weiter stört, da sie davon ausgehen können, daß die bürgerliche Mehrheit ihnen auf halbem Wege entgegenkommt –, ist der Ausgang der Finöv-Abstimmung höchst ungewiß. Wirtschaftlich gesehen macht der Bau der beiden Tunnels am Lötschberg/Simplon und am Gotthard, die zur Umlagerung von Schwertransporten von der Straße auf die Schiene dienen sollen, keinen Sinn: Die Kosten werden sich auf etwa 60 Milliarden Mark belaufen. Rentieren wird sich das Großprojekt laut einer Studie von Cooper’s Lybrand nie. Politisch ist dieses Prestigebauwerk für die Schweizer Regierung, deren größter Wunsch es ist, möglichst rasch der Europäischen Union beizutreten, jedoch von einiger Bedeutung: Sollte das Volk an der Urne dem Bau dieser Tunnels zustimmen – durch die praktisch nur EU-Transporte führen würden – dann würde dies unweigerlich als weiterer Beweis dafür ins Feld geführt werden, daß das Volk nun doch zum EU-Beitritt bereit sei. Ob die Gegnerschaft, die ein bunte Mischung aus Straßentransportlobbyisten, EU-Gegnern, Westschweizern (sie haben außer Kosten nichts von den Bauvorhaben, da diese nur durch die deutsche und italienische Schweiz führen) und Weniger-Staat-Aposteln besteht, reüssieren wird, ist unklar, zumal bei einer ähnlichen Konstellation im September, als es um die Einführung einer Schwerverkehrsabgabe ging, das Regierungslager mit 57 Prozent Ja-Stimmen einen deutlichen Sieg davontrug.

Auf Gemeindeebene ist gesamtschweizerisch eigentlich nur eine Frage von Interesse, nämlich, ob die von einer rot-grünen Mehrheit beherrschte Stadt Zürich, die seit der Machtübernahme eine Randgruppenpolitik betreibt, einen Beitrag von umgerechnet 30.000 Mark an ein Projekt für homosexuelle männliche Prostituierte ("Herrmann") bezahlen darf. Obschon es sich bei der Summe um einen verhältnismäßig kleinen Betrag handelt, hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) aus grundsätzlichen Überlegungen gegen den Beschluß der kommunalen Legislative das Referendum ergriffen. Die notwendigen Unterschriften kamen ohne Probleme zusammen.

Bereits im Sommer konnte die SVP einen vergleichbaren Erfolg verbuchen, als sie eine erzwungene Abstimmung über die Finanzierung eines Integrationsprojekts für Kosovo-Albaner gewann.

Das nun zur Debatte stehende Projekt "Herrmann" umfaßt unter anderem einen Aufenthaltsraum für Stricher, eine Zeitschrift, in der "Tips und Tricks beim Anschaffen" gegeben werden, sowie kostenlose Beratung in diversen Lebensfragen. Da sich eine derartige Verwendung von Steuergeldern eigentlich nicht rechtfertigen läßt, hat der Stadtrat das Projekt in der Abstimmungsbroschüre kurzerhand als "AIDS-Präventionsprojekt" tituliert. Die AIDS-Prävention macht jedoch nur einen kleinen Teil von "Herrmann" aus, so daß die SVP Beschwerde gegen die Verbreitung der offiziellen Broschüre einleitete. Die Beschwerde wurde abgewiesen, ein Rekurs beim kantonalen Regierungsrat ist noch anhängig. Sollte der Urnengang erneut nicht im Sinne der linksgrünen Allianz ausfallen, dann wird die Stadt Zürich ihre Randgruppenförderung zwangsläufig einstellen oder zumindest massiv reduzieren müssen. Andernfalls hat die SVP mit weiteren Referenden gedroht.


 
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