© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
Der FN vor der Spaltung
von Patrick Cournoyer

In der französischen Rechtspartei Front National (FN) hat sich der Machtkampf zwichen Parteichef Le Pen und seinem Generaldelegierten Bruno Mégret weiter zugespitzt und ist bei einem kleinen Parteitag in der französischen Hauptstadt – dessen Thema eigentlich die Europawahl war – offen zu Tage getreten. Innerhalb der Parteiführung wird eine Spaltung nicht mehr ausgeschlossen.

Im Frühsommer hatte Mégret seinen Anspruch als "Nummer zwei" des FN angemeldet, die Liste des FN bei den Europawahlen anzuführen, wenn Le Pen durch Gerichtsbeschluß an einer Kandidatur gehindert würde. Mit dieser spontanen Kandidatur hatte Le Pen, der den ersten Listenplatz mit seiner Frau besetzen wollten, nicht gerechnet. Mit seiner Frau als Double wollte er jenen Wählern, die "Le Pen" wählen wollen, die Möglichkeit gewährleisten, tatsächlich "Le Pen" wählen zu können. Die Auseinandersetzung um die Führung der Europaliste fand ihren Höhepunkt auf der Sommeruniversität des FN in Toulon, wo Mégret vor den Medien verlauten ließ, er halte dieses Vorhaben für "keine gute Idee". Le Pens Antwort ließ nicht auf sich warten: "Im FN gibt es nur eine Nummer eins." Mittlerweile hat sich das Thema erledigt: Le Pen hat gegen das Versailler Urteil, das ihn für ein Jahr für unwählbar erklärte, Revision eingelegt und kann im Juni 1999 kandidieren.

Auf dem tumultartigen Treffen in Paris hatten mehrere Mitglieder vom Mégret-Flügel Le Pens Entscheidung offen kritisiert, den Europaabgeordneten Jean-Claude Martinez mit der Leitung des Wahlkampfes zu betrauen. Stephan Durbec, Regionalabgeordneter von Provence Alpes Côtes d'Azur und Mitkämpfer Le Pens, stellte dies richtig: "Es war nicht Le Pens Entscheidung, sondern die des gesamten politischen Büros. Der FN ist eine demokratische Partei und keine Diktatur".

Am Montag wurden nun zwei Mégret-Vertraute ihrer Ämter enthoben. Der bisherige FN-Personaldirektor Serge Martinez hatte sich dafür ausgesprochen, spätestens im Januar einen Sonderparteitag abzuhalten, und dies, obwohl Le Pen 1997 in Straßburg für drei weitere Jahre wiedergewählt wurde, so daß das Datum des nächsten Parteitags Dezember 2000 wäre. Dem zweiten Politbüromitglied, Pierre Vial, wurde vorgeworfen, hinter den Anfeindungen gegen Le Pen zu stecken. Mégret äußerte sich bislang nicht zu der Spaltung innerhalb der Parteiführung.

Hinter den persönlichen Rivalitäten verbirgt sich jedoch ein Streit um die Strategie. Mégret sucht eine pragmatische Allianz mit einem Teil der bürgerliche Rechten. Le Pen lehnt prinzipiell jedes Bündnis mit anderen Parteien ab. Ob es zu einer Spaltung kommt, hängt von Mégret ab. Nur wenn er zu Konzessionen bereit ist, ist der FN zu retten. Le Pen, Gründer der Partei und deren Vorsitzenden seit 27 Jahren, wird nicht von seiner Haltung abweichen.


 
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