© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
Berlin: Das IMAX-Kino am Potsdamer Platz zeigt mehr als nur Filme
Expeditionen ohne Grenzen
Gerhard Quast

Sie werden erschaudern vor Kälte. Die afrikanische Sonne wird Ihnen den Schweiß auf die Stirne treiben. Das Erbeben der Erde wird Gedanken der Flucht in Ihnen entstehen lassen. Sie werden sich zurücklehnen, ducken, tief Luft holen und in Deckung gehen, hineingezogen werden in eine faszinierende Welt atemberaubender Großartigkeit. Die Menschen um Sie herum werden für Momente entschwinden. Der Lärm der Autos, die Hektik Berlins und der eisige Wind auf den Straßen des Potsdamer Platzes scheinen vergessen. Und Sie werden sich fragen: Ist das wirklich nur ein Film?

Denn bei den Vorstellungen im IMAX-Theater fühlt sich der Zuschauer unaufhörlich hineingezogen in das Leinwandgeschehen. Er taucht ein in die "Wunderwelt der Meere" und erhält tiefe Einblicke in die Vielfalt dieses sensiblen Ökosystems. Farbenprächtige Korallenriffe, leuchtend bunte Fischschwärme und empfindliche Unterwasserlandschaften präsentieren sich dem IMAX-Besucher. Zebras, Affen, Löwen, Elefanten und Büffelherden begegnen dem Naturfreund auf einer 500-Meilen-Reise durch die Serengeti-Steppe ("Afrika! Die Serengeti"), die jedes Jahr während der Trockenzeit von rund zwei Millionen Tieren durchquert wird.

Der Zuschauer bleibt nicht teilnahmslos

Die Space Shuttle in "Blue Planet" gestattet einen ungewohnten Blick auf die Erde und die schützende und zugleich selbst so verletzliche Erdatmosphäre. In der Tierdokumentation "Biber" folgt die Kamera sympathischen Ingenieuren und Hochleistungsschwimmern und beobachtet in den kanadischen Rocky Mountains ein junges Pärchen, das meterhohe Dämme errichtet, um sich im Schutz dieser meisterhaften Holzkonstruktionen häuslich niederzulassen.

Kalt und stürmisch geht es schließlich bei der Expedition "Antarctica. Eine Reise ins ewige Eis" und der Bergtour "Everest. Gipfel ohne Gnade" zu. Während auf den kargen Inseln im antarktischen Südatlantik das Leben und Überleben der Pinguine, Seelöwen und Robben auf der Mega-Bildwand bestaunt werden kann, geht es bei der Besteigung des höchsten Berges der Welt weniger tierisch zu. Die internationale Bergsteigergruppe muß sich auf dem ungewissen Weg zum Gipfel des Mount Everest vor allem mit bitterer Kälte, tagelangen Stürmen und sauerstoffarmer Höhenluft herumschlagen.

Nie bleibt der Zuschauer jedoch teilnahmsloser Beobachter, immer wird er hineingezogen, fühlt sich als Protagonist der Handlung und ist doch willenlos dem Geschehen ausgeliefert.

Gezeigt werden in dem im Oktober eröffneten IMAX-Theater am Potsdamer Platz in Berlin vornehmlich Aufnahmen exotischer Paradiese. Die Technik ist nahezu unübertroffen: Durch das Zusammenspiel aus überdimensionaler Kinoleinwand von 550 Quadratmetern Fläche – schließlich ist die Größe der Bildwand mitentscheidend für die Intensität der Bilder –, der speziellen Aufnahme- und Projektionstechnik, dem haargenau abgestimmten Tonsystem und der Projektion des Films in eine kuppelförmige Bildwand wird eine optimale Realitätstreue der Filme ermöglicht. Hinzu kommt, daß alle Faktoren, die die Illusion des Dabeiseins bei herkömmlichen Filmtheatern stören, ausgeschaltet sind: Die Begrenzung der riesigen gewölbten Bildwand befindet sich außerhalb des Blickfeldes der Zuschauer und wird nicht wahrgenommen. Auch für eine ungehinderte Sicht von allen 440 Plätzen wurde durch extrem aufsteigende Sitzreihen gesorgt.

Geöffnet wurden die Pforten des 80 Millionen Mark teuren ersten IMAX-Integral-Theaters Deutschlands zusammen mit der feierlichen Einweihung des Daimler Benz-Geländes auf dem Potsdamer Platz im Oktober 1998. Doch die Technik ist nicht neu. Vorgestellt wurde das Film-Projektionssystem der kanadischen Firma IMAX bereits im Jahr 1970 auf der Expo in Osaka (Japan). Das erste dauerhaft installierte IMAX-Projektionssystem stand ab 1971 in Toronto. In den 80er Jahren wurde die Technik in Kanada und den USA eingeführt und nahm dann einen Siegeszug über die anderen Kontinente. Das hautnahe Kinoereignis kann derzeit in etwa 160 Theatern in über 20 Ländern erlebt werden. Neben den bereits genannten Filmen verfügt die IMAX-Filmbibliothek im Moment über rund 140 weitere Filmtitel. Auch die Besucherzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Weltweit 30 Millionen Gäste lassen sich jährlich von der IMAX-Technik begeistern.

Gekennzeichnet sind die IMAX-Theater in vielen Ländern durch eine außergewöhnliche Architektur. Und so steht auch die Kuppel des Berliner IMAX inmitten von Gebäuden namhafter Architekten – zwischen der umgesiedelten Berliner Spielbank, den Einkaufs-Arkaden und einem Multiplex-Kino. Und auch der Erfolg stellt sich bereits ein. Viele der mehr als sechs Millionen Menschen, die das neue Zentrum Berlins in den ersten zwei Monaten besucht haben, sind auch am IMAX-Kino nicht vorbeigekommen. Ausverkaufte Vorstellungen sind keine Seltenheit.

Ein Appell, die Natur zu schützen

Doch es ist nicht nur die IMAX-Technik, die einen Besuch – vor allem auch für Schulklassen – lohnenswert macht. Die Produktionsfirma verfolgt mit ihren Expeditionen ohne Grenzen auch ein pädagogisches Ziel, das sich durch jeden der sechs zur Zeit gespielten Naturstreifen wie ein roter Faden zieht. Die IMAX-Filme zeigen nicht nur die faszinierende Schönheit unserer Erde, das Wissen, das zu vermitteln IMAX angetreten ist, soll einem höheren Zweck dienen: Es soll ein Appell sein, diesen Planeten zu schützen, die Natur zu achten, ihre Vielfalt zu bewahren und ihr Fortbestehen nicht zu gefährden. Die Filme sollen in den Augen der Filmemacher "Munition sein" im Kampf gegen die Zerstörung der unersetzbaren Flora und Fauna des Planeten Erde.


 
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