© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    51/98  11. Dezember 1998

 
 
Zeitschriftenkritik: "Literatur in Bayern"
Unrentable Rarität
Werner Olles

Literaturzeitschriften sind in Deutschland zu einer Rarität geworden, nachdem die meisten größeren und mittleren Verlage solche Projekte zu einem unrentablen Faktor erklärt haben. Um so verdienstvoller ist es, wenn auf regionaler Ebene von engagierten Literaturfreunden dafür Sorge getragen wird, daß entsprechende Publikationen periodisch Abhandlungen und Beiträge zum literarischen Leben leisten können.

Literatur in Bayern, die "Vierteljahresschrift für Literatur, Literaturkritik und Literaturwissenschaft", vom Institut für Bayerische Literaturgeschichte der Universität München im Auftrag der "Vereinigung der Freunde Bayerischer Literatur" herausgegeben, informiert regelmäßig über literarische Neuerscheinungen und aktuelle Themen in Bayern und den angrenzenden Ländern. Die seit fast vierzehn Jahren erscheinende Zeitschrift nimmt auf einem Umfang zwischen sechzig und hundert Seiten Bezug auf die unterschiedlichsten Literaturgattungen, präsentiert aber auch neue Lyrik und Prosa, berichtet über Ausstellungen und würdigt Dichter, deren Werke leider oft vergessen sind. Bibliographische Notizen, eine umfangreiche Bücherschau, Rezensionen und Interviews mit Autoren runden die anspruchsvollen und recht ästhetisch aufgemachten Hefte ab. So liest man u.a. über "Deutsche Literatur in Böhmen", die so verschiedene Dichter wie Kafka, Rilke, Kisch, Stifter und Goethe verbindet. Dabei werden die Prager Salons der Jahrhundertwende lebendig, in denen sich die literarischen Größen jener Zeit trafen. Der Leser wird bekannt gemacht mit dem Schriftsteller Robert Walser und dessen eigenwilligen Beziehungen zur sündigen Schwabinger Boheme, deren laszive Atmosphäre dem zeitlebens gerade gegenüber Frauen sehr scheuen Robert Walser offenbar einige amouröse Abenteuer bescherte. Berlin wirkte jedoch bedeutungsvoller und anregender auf den Dichter als die vornehme und manchmal zur Sünde animierende Münchner Boheme.

Nachdem die Zeit ihm eine "Gestapo- Vergangenheit" andichtete und Lew Kopelew ihn "faschistoider Tendenzen" bezichtigte, spricht der Schriftsteller Heinz G. Konsalik in einem Interview erstmals umfassend über sich und seine Bücher. Literatur in Bayern stellt fest, daß Konsalik im übertragenen Sinne als "geheilt" aus dem Kriege zurückkam und in seinen Werken nirgendwo dem NS-Rassenwahn das Wort redet. So lernt der Leser schließlich einen ganz anderen Menschen kennen, als den einst von einer linken Frankfurter Studentenzeitung als "Ernst Jünger für geistig Minderbemittelte" geschmähten Autor.

Interessantes über die "Gruppe 47", die eigentlich aus Subzentren um ihren Gründer Hans Werner Richter bestand, weiß Carl Amery zu erzählen. Hans Maier, der frühere bayerische Kultusminister stellt Jean Paul, den "Chronisten der deutschen Innenwelt", vor: "Für den Dichter gilt der Optimismus; seine Welt muß die beste sein und alle Übel auflösen."

"Literatur in Bayern", Karolinenplatz 3, 80333 München, erscheint vierteljährlich. Einzelheft 10 Mark, Jahresabo 30 Mark.


 
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