© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Parteien: Die Zusammenarbeit von SPD und PDS bleibt ungeklärt
Allgemeine Anbiederungen
Ulf Becker

Die PDS fungiert weiterhin als Spaltpilz in den Reihen der Sozialdemokraten. Während sich aus Protest gegen die SPD/PDS-Regierungskoalition in Mecklenburg-Vorpommern abtrünnige Genossen um den Schweriner Kommunalpolitiker Bruno Schuckmann sammeln und für Ende Januar 1999 die Gründung einer "sozialliberalen Partei" planen, bemühen sich hochrangige SPD-Vertreter um Relativierung widersprüchlicher Aussagen über den gemeinsamen Umgang.

Vor allem seit dem Landesparteitag der Thüringer SPD am vergangenen Wochenende in Günthersleben-Wechmar gilt offenbar die Maxime, durch Klarstellungen weitere Unklarheiten zu schaffen. Der in Günthersleben zum SPD-Spitzenkandidaten gewählte Innenminister Richard Dewes, ein 50jähriger Saarländer, äußert zwar "Abscheu und Entsetzen" über die Forderungen aus der PDS nach Amnestie und Haftentschädigungen, betont aber im Hinblick auf die anstehende Landtagswahl, für Koalitionen mit allen demokratischen Parteien, zu denen er auch die PDS zählt, offen zu sein.

Er liegt damit auf einer Linie mit Parteichef Oskar Lafontaine, der Regierungsbeteiligungen der PDS grundsätzlich begrüßt. Nach dessen Auffassung ist die SED-Nachfolgeorganisation auf dem besten Wege, eine demokratische Partei zu werden. Für den sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Biedenkopf ist Lafontaines Meinung willkommener Anlaß zu dem Vorwurf, der Finanzminister erstrebe um jeden Preis eine gesicherte "sozialistische Mehrheit".

Immerhin sind nach einer jüngsten Forsa-Umfrage unter ausgewählten SPD-Mitgliedern 62 Prozent im Osten und 52 Prozent im Westen für eine Kooperation mit der PDS auf Landesebene. Lediglich die von der rechtspolitischen Sprecherin der PDS, Evelyn Kenzler, geforderte Amnestie für verurteilte SED-Funktionsträger wird von der SPD-Basis mehrheitlich abgelehnt.

Gespalten bleiben auch die Vorstellungen über die weitere Zusammenarbeit zwischen den beiden Parteien. Insbesondere die Berliner SPD versucht sich von den Realsozialisten abzugrenzen. Der SPD-Fraktionschef und mögliche Spitzenkandidat für die im Herbst 1999 stattfindende Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus, Klaus Böger, sagte dazu wörtlich: "Koalitionen mit der PDS bringen nichts."

Die vor sechs Wochen in einem von den SPD-Bundestagsabgeordneten Richard Schröder, Stephan Hilsberg und Markus Meckel veröffentlichten Memorandum vorgetragene Kritik entbehrt somit nicht jeglichen Echos. Dort hieß es wörtlich: "Wir vermissen eine Diskussion in der SPD über die Voraussetzungen und Folgen einer Zusammenarbeit mit der PDS – und zwar für die SPD im ganzen." Diese Kritik veranlaßte in Sachsen-Anhalt Innenminister Manfred Püchel zur Gründung eines Arbeitskreises "Neue Mitte", der als Organ ein Gegengewicht zu den Tolerierungsbefürwortern schaffen soll. Das Werben um die bereits im Bundestagswahlkampf betonte "Neue Mitte" scheint dringlich geboten, denn in Mecklenburg-Vorpommern traten aus Protest gegen den "Schmusekurs" der Schweriner Landesregierung mit der PDS bereits 70 Sozialdemokraten aus ihrer Partei aus.

Zu den kritischen Stimmen zählt auch die Bundesfamilienministerin Christine Bergmann. Zumindest für sie stehen die zukünftigen Perspektiven im gegenseitigen Umgang fest: "Bei der bevorstehenden Wahl in Berlin ist die PDS für mich nicht regierungsfähig." Eine ähnliche Meinung teilten ebenfalls die SPD-Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, und Niedersachsen, Gerhard Glogowski.

Abgrenzungsstrategien diskutiert wider Willen auch die CDU nach einem Stern-Interview ihres Mitgliedes im Bundesvorstand, Heiner Geißler. Der frühere Generalsekretär und stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag hält es für möglich, eine "beschränkte, zeitlich befristete und rein an Sachfragen orientierte Zusammenarbeit" zwischen der CDU und der PDS einzuleiten. Allen Dementis anderer CDU-Größen zum Trotz begrüßt der PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch Geißlers Äußerungen. Er meint, ein politisches Miteinander der beiden Parteien in den mitteldeutschen Kommunen wahrnehmen zu können. Aber eine von Geißler erhobene Forderung nach Änderung der PDS-Statuten lehnt der umworbene Sozialist ab. Seine Partei ändere schließlich nicht ihre Statuten, weil sie der politischen Konkurrenz nicht passen.

Die PDS gewinnt auch ohne Anpassung an Vorstellungen der alten Parteien an Einfluß. Längst wird die bundesdeutsche Realität, allen Warnungen zum Trotz, von ihr mitgestaltet. Etwa durch Harald Ringstorffs SPD/PDS-Koalition in Schwerin oder durch Reinhard Höppners auf die PDS-Tolerierung angewiesene Magdeburger Minderheitsregierung. Das Buhlen um die Gunst der Linkspartei nimmt seinen Verlauf.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen