© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Zuwanderung: Mahnende Stimmen über die soziale Zeitbombe mehren sich
Bittere Wahrheiten wahrnehmen
Werner Olles

Bundesinnenminister Otto Schily hat für seine Aussage, daß "die Grenzen der Zuwanderung überschritten sind", jetzt die Unterstützung eines sozialdemokratischen Kommunalpolitikers bekommen. Kassels SPD-Bürgermeister Ingo Groß fordert einen ausnahmslosen Zuwanderungsstop für Ausländer.

Der Politiker bezieht sich dabei vor allem auf die Verhältnisse in den deutschen Großstädten und wird von der Kasseler Zeitung Extra-Tip mit der Bemerkung zitiert: "Wir sitzen auf einer Zeitbombe!" Er kritisierte, daß "einige Traumtänzer noch über neue Zuzugsmöglichkeiten für Ausländer" diskutierten, während in den klassischen Arbeitervierteln, wo ein relativ hoher Ausländeranteil vorherrschte, die Stammwähler der SPD zu rechten Parteien überliefen. Groß räumt auch ein, daß in den klassisch sozialdemokratischen Milieus Ressentiments gegen Zuwanderer und Asylbewerber am stärksten sei.

Vor dem Hintergrund, daß im Februar das Kasseler Stadtoberhaupt gewählt wird, geißelte der Bürgermeister die bisherige Ausländerpolitik als "verfehlt". Der ständig wachsende Anteil von Nicht-Deutschen an der Kasseler Bevölkerung mache sich inzwischen "negativ bemerkbar". So sei die Arbeitslosenrate in Deutschland kontinuierlich gestiegen, aber dennoch seien Ausländer weiterhin "faktisch unkoordiniert" eingewandert.

Als Folge erlebe man nun ein "Umkippen ganzer Stadtteile", wo Deutsche nun zu einer Minderheit geworden wären. In einer Kindertagesstädte im Kasseler Stadtteil Waldau konnten über sechzig Prozent der Kinder die deutsche Sprache gar nicht oder nur völlig unzureichend sprechen.

Wer jetzt immer noch den Zuzug von Ausländern fordere, schüre geradezu "Rechts-Tendenzen", da er die Sozialangst der deutschen Einwohner unterschätze. Für die hier lebenden Ausländer forderte Groß mehr Deutschunterricht und Beschäftigungsprogramme, die allerdings nicht nach Tarif entlohnt werden könnten. Durch solche Maßnahmen würde vor allem die hohe Kriminalitätsrate gerade unter jungen Ausländern gesenkt.

Damit keine rein türkischen Ghettos entstünden, müßten die Wohnungsbaugesellschaften den Zuzug von Ausländern in derartige "soziale Gefahrenpunkte regelrecht steuern". Der Bürgermeister warb in diesem Zusammenhang auch für mehr echte soziale Kontakte zwischen Deutschen und hier ansässigen Ausländern, jenseits von multikulturellen Straßenfesten, die zumeist wohl doch nur als Alibi einer bestimmten Klientel dienten.

Mit diesen offenen Worten hat nun endlich auch ein SPD-Kommunalpolitiker in die schwelende Debatte um Zuwanderung und Ausländerpolitik eingegriffen. Dabei sind die Probleme in Kassel, wo auf Initiative der CDU einer der ältesten Ausländerbeiräte in Deutschland existiert, gewiß nicht drängender und bedrohlicher als etwa in Berlin oder Frankfurt am Main. Wäre Groß kein Sozialdemokrat, hätte das Linkskartell bestimmt schon den Bannfluch des "Rechtsextremismus" und der "Ausländerfeindlichkeit" über ihn gelegt. Wichtig ist aber allein, daß Politiker wieder den Mut aufbringen, bittere Wahrheiten zu sagen und auch eigene Fehler in der Vergangenheit einzugestehen. Jenseits von Parteizugehörigkeit dient dies auch der Glaubwürdigkeit einer lebendigen Demokratie.


 
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