© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    52 u. 53/98  18. Dezember / 25. Dezember 1998

 
 
Artenschutz: Tierschützer machen gegen Jagdtourismus mobil
"Die pure Lust am Töten"
Gerhard Quast

British Columbia ist das Herzstück ihres Lebensraums. Doch ein Lebensrecht haben die vom Aussterben bedrohten Grizzly-Bären noch immer nicht: Jedes Jahr werden mit Genehmigung der Provinzregierung rund 350 dieser mächtigen kanadischen Braunbären abgeschossen. Bis heute hat es die Regierung versäumt, Maßnahmen zum Schutz der Bären und der biologischen Vielfalt in Britisch Columbia einzuleiten. Die Zerstörung der riesigen Waldgebiete hält unvermindert an. Die größte Gefahr geht jedoch von den Jägern aus, die dem eindrucksvollen Säugetier rücksichtslos nachstellen.

Grizzly-Bären lebten einst vom Atlantischen Ozean bis Zentral-Mexiko, von der Pazifischen Küste quer durch die Prärien bis zur Westküste der Hudson Bay. Heute gibt es außerhalb Alaskas nur noch wenige Vorkommen, British Columbia ist mit schätzungsweise 6.000 bis 8.000 Bären das bedeutendste: etwa ein Viertel des gesamten Grizzlybestandes des Kontinents und gut die Hälfte aller kanadischen Bären leben hier.

Trotz der schwachen Population und der Tatsache, daß sich die Tiere ausgesprochen langsam vermehren – weibliche Grizzy-Bären werden erst im Alter von vier bis sieben Jahren geschlechtsreif und haben in der Regel pro Wurf nur zwei Junge –, hält die Regierung an der erlaubten jährlichen Abschußzahl (1996: 363) unbeirrt fest und will von einem Moratorium, wie es die Umweltorganisation Environmental Investigation Agency (EIA) gemeinsam mit fast 70 weiteren kanadischen und US-amerikanischen Tier- und Naturschutzorganisationen fordert, nichts wissen.

Nach Meinung der EIA geht es bei der Jagd auf die Grizzly-Bären vor allem um eines: Trophäen. Deshalb haben die nordamerikanischen Tierschützer ihre Kampagne auf Deutschland ausgeweitet und den Deutschen Tierschutzbund um Unterstützung gebeten. Schließlich gehen deutsche Grünröcke nicht nur in deutschen Wäldern auf Pirsch. Immer häufiger suchen die "schießwütigen Hobby-Jäger", so Tierschutzbund-Präsident Wolfgang Apel, ihr Jagdglück in fernen Ländern. Auch die kanadischen Grizzly- Bären gehören in diesen Kreisen zu begehrten Abschußzielen: Etwa zehn Prozent der Abschußquote geht auf das Konto finanzkräftiger deutscher Jäger. Diese zahlen umgerechnet rund 17.000 Mark an einen lokalen Jagdausrüster, um einen Grizzly zu erlegen.

Dafür hat Wolfgang Apel aber keinerlei Verständnis. Gemeinsam mit dem Vorsitzenden der EIA, Allan Thornton, forderte er den Deutschen Jagdschutzverband auf, "sich von diesen schießwütigen Trophäensammlern zu distanzieren und diese aus dem Verband auszuschließen". Trophäenjagd sei keine Hege, sondern die "pure Lust am Töten", meint gar der Wildschutzexperte des Tierschutzverbandes, Eberhard Schneider, und müsse deshalb beendet werden, indem ein Importverbot für Trophäen geschützter Tiere erlassen werde. Eine besondere Rolle im Kampf gegen den Jagdtourismus weisen die Tierschützer den Berufsverbänden der rund 330.000 deutschen Jäger zu. Der Bund Deutscher Jäger (BDJ), der mit rund 1.100 Mitgliedern nur eine Minderheit vertritt, hat bereits kundgetan, daß er vom weltweiten Jagdtourismus nicht viel halte. Der Deutsche Jagdschutzverband hält sich hingegen bedeckt und hat sich bisher zu den Forderungen des Tierschutzverbandes nicht geäußert. Für Apel kein Problem: "Wenn der Jagdverband nicht dagegen angeht, dann müssen wir die Jagd insgesamt angehen." Schließlich geht es dem Deutschen Tierschutzbund nicht nur um die Grizzly-Bären, sondern auch um die zahlreichen anderen geschützten Arten, die gegen Zahlung eines beträchtlichen Geldbetrages – eine der 18 bis 25 Eisbär-Lizenzen, die jährlich von den kanadischen Inuits verkauft werden, ist nicht unter 42.000 Mark zu bekommen – zum Abschuß freigegeben werden. Allein in diesem Jahr seien schätzungsweise 4.000 deutsche Jäger in Afrika "zum Schuß gekommen".

Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen (WA, englisch: CITES) hilft in solchen Fällen wenig, denn gerade mit bedrohten Tierarten darf im Rahmen des WA gehandelt werden. Lediglich die Quoten sind zu beachten. Welche exotischen Tiere in den Wohnstuben deutscher Jäger als Trophäen enden, das verdeutlichen die deutschen WA-Jahresberichte: Zwischen 1987 und 1995 wurden von deutschen Jägern mindestens 6.112 Trophären 55 geschützter Tierarten eingeführt, so eine vom Deutschen Tierschutzbund zusammengestellte Auflistung. Besonders das südliche Afrika hat sich danach zum Hauptjagdgebiet entwickelt: Allein in Namibia wurden in diesem Zeitraum 125 Geparden, 112 Leoparden, 975 Hartmann-Bergzebras und 175 Steppenpaviane für deutsche Wohnzimmer getötet. Ähnlich viele Abschüsse geschützter Tiere registrieren die Berichte auch für andere südafrikanische Staaten: Aus der Republik Südafrika wurden beispielsweise 37 Trophäen des südlichen Breitlippennashorns importiert. Und auch Tansania und Simbabwe stehen bei deutschen Jägern hoch im Kurs: Beide Länder erteilten deutschen Trophäenjägern in dieser Zeit Abschußgenehmigungen für Afrikanische Elefanten (207 in Simbabwe), Leoparden (zusammen 292), Löwen (zusammen 233), Flußpferde (zusammen 458) und Nilkrokodile (zusammen 73). Angesichts dieser Zahlen spricht der Tierschutzbund vom Schwarzen Kontinent als einem "Trophäenjäger-Paradies Afrika".

Daß deutsche Waidmänner – Frauen sind eher selten – nicht nur in deutschen Wäldern jährlich rund fünf Millionen Wildtiere "zur Strecke" bringen, sondern von Alaska bis Australien ihre "Trophäengeilheit" befriedigen und sich auf die Jagd nach Exoten begeben, ist kein Geheimnis, ein Blick in den Anzeigenteil der Jagdzeitschriften genügt. Angefangen von der Taubenjagd in Argentinien bis zur Wolfsjagd in Estland sind dem gutsituierten Jäger keine Grenzen gesetzt. Selbst der Elefantenbulle für umgerechnet rund 45.000 Mark ist im Angebot. Und neben dem bereits erwähnten Grizzly sind in Kanada auch noch andere Bären auf der Abschußliste: Die WA-Berichte weisen Trophäen von 732 Schwarzbären und 82 Eisbären aus. Von "Hege-Abschüssen" oder dem Prinzip der "Nachhaltigkeit" kann auch hier kaum die Rede sein. Die Grizzly-Bären in British Columbia stehen also nur stellvertretend dafür, daß der Tierschutzbund der leidenschaftlich jagenden Geld-Elite jetzt über die Grenzen Deutschlands hinaus den Kampf angesagt hat.


 
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