© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 52 u. 53/98 18. Dezember / 25. Dezember 1998 |
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Klaus-Rainer Woche: Die über vierhundertjährige Geschichte der Berliner Garnison Vom Wecken bis zum Zapfenstreich Kai Guleikoff Die Geschichte der Garnisonsstadt Berlin wurde bisher lediglich von Teske in seinem Buch "Berlin und seine Soldaten" zusammenhängend beschrieben. Deshalb ist der repräsentative Band von Klaus-Rainer Woche ein Gewinn für den militärgeschichtlich interessierten Leser. Der Autor, geboren 1927 in Berlin, war 1944/45 selbst Soldat und von 1960 bis zur Pensionierung 1987 Beamter in der Deutschen Dienststelle für die Benachrichtigung der nächsten Angehörigen von Gefallenen der ehemaligen Deutschen Wehrmacht (WAST), zuletzt als Referatsleiter. Woche, der langjähriges Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Heereskunde ist und als sachkundiger Autor in militärhistorischen Fachzeitschriften publiziert, hat mit seinem Werk "Vom Wecken bis zum Zapfenstreich" eine ausgesprochene Fleißarbeit der Öffentlichkeit vorgelegt. In zwanzig übersichtlich gegliederten Kapiteln wird durch vier Jahrhunderte der Weg von der freiwilligen Bürgergarde bis zu den Wehrpflichtigen der Bundeswehr anschaulich und faktenreich geschildert. Der Ausspruch eines finnischen Generals "Jedes Land hat eine Armee, entweder seine eigene oder eine fremde!", wird durch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges in Brandenburg bestätigt. Kurfürst Georg Wilhelm hinterließ 1640 seinem Nachfolger ein verwüstetes Land und ein verarmtes Volk. Die kurbrandenburgische Streitmacht bestand zu diesem Zeitpunkt aus 4.650 Mann. Berlin wurde unter den Schutz von nur drei Kompanien gestellt, die bei Annäherung des Feindes in die Festung Spandau flüchteten. Erst unter dem Großen Kurfürsten konnte "Ordnung" geschaffen werden. Der Treueid wurde auf seine Person geleistet, das Heer reorganisiert und 1653 eine Kriegskasse eingerichtet. Als sich am 18. Januar 1701 Kurfürst Friedrich III. selbst zum "König in Preußen" krönte, bestand die Berliner Garnison bereits aus 26 Kompanien zu Fuß, sechs Kompanien zu Pferd, fünf Kompanien Artillerie, einem Corps de Pionniers mit 100 Mann und einem Corps Cadets mit 60 Mann. Aus der Zeit Friedrichs des Großen erfährt der Leser auch solche Details wie die Bezahlung. Der Soldat erhielt jeden fünften Tag acht Groschen in bar. Der Volksmund schuf den Begriff des "Achtgroschenjungen", der erst später als allgemein verächtlicher Begriff in den Sprachschatz einging. Ein Leutnant wurde im Monat mit 264 Groschen entlohnt, die elf Taler entsprachen. Ein Bier kostete damals drei Pfennige. Selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich die "Finanzlage" nicht wesentlich geändert. Ab 1910 erhielt der Soldat alle zehn Tage einen Taler. In dieser Zeit gaben die Berliner den Regimentern ihre Spitznamen, wie "Maikäfer", "Zaunkönige", "Blechköppe" oder "Schwellenträger". Mit dem Ersten Weltkrieg verschwand die "schimmernde Wehr" der Monarchien. Bei der Heimkehr der Fronttruppen nach Berlin am 10. bis 14. Dezember 1918 rief der Sozialdemokrat Ebert als Reichskanzler den nun unscheinbar Feldgrauen zu: "Ich grüße Euch, die der Feind auf dem Schlachtfeld nicht bezwungen hat!". Der blutige Beginn der Weimarer Republik spaltete die Berliner Garnison in zwei politische Lager. Ein grausam geführter Bürgerkrieg verwandelte einzelne Häuserviertel und Straßen in Schlachtfelder. Im kommenden Jahr jähren sich diese Ereignisse, die der Autor akribisch genau nachzeichnet, zum 80. Mal. Mit der Wiedereinführung der Allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935 sollte der
Grundstein gelegt werden für ein deutsches Europa. Vor 1939 lagen in Garnison sieben
Regimenter und acht Bataillone. Im gleichen Jahr fand anläßlich des 50. Geburtstag Adolf
Hitlers die größte Militärparade in der Berliner Geschichte statt. Das Jahr 1945 sah
Berlin als "Reichsruinenstadt", und praktisch ab dem 4. Juli 1945 begann die
Vierteilung der Stadt. Einen deutschen Stadtkommandanten gab es erst wieder vom 23. August
1962 an in Ost-Berlin. NVA-Generalmajor Poppe übernahm unter bleibender Aufsicht
der Sowjets das Amt vom russischen General Solow-jew. Mit dem Beitritt der DDR zur
Bundesrepublik Deutschland erhielt Berlin wieder einen deutschen Standortkommandanten, den
Brigadegeneral Freiherr von Uslar-Gleichen, der auch das Vorwort des Buches schrieb. |