© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/00 24. Dezember / 31. Dezember 1999


Helmut Kohl
Der Staat bin ich
von Dieter Stein

Noch vor wenigen Wochen verkündeten die Zeitungen die Wiedergeburt eines Mythos. Helmut Kohl, bei der Bundestagswahl 1998 als Bundeskanzler durch den Wähler entmachtet und aufs Altenteil geschickt, wurde plötzlich wieder von Menschen zurückgewünscht. "Wir wollen unseren alten Helmut wiederhaben", lautete in Anlehnung an den Kaiser Wilhelm das Motto an den Stammtischen. Die CDU war seit dem Frühjahr 1999 im Aufwind, eilte von Wahlsieg zu Wahlsieg – bis sie nun von den schwarzen Konten des Ehrenvorsitzenden eingeholt wurde.

Helmut Kohl verläßt sich noch darauf, daß ihn die Chronisten einst auch dann als "Kanzler der Einheit" nennen, wenn sich die Aufregung um "Bimbes" (Kohl über Geld), um anonyme Spenden und falsche Rechenschaftsberichte der CDU wieder gelegt hat. Bleiben werde doch die Leistung des Kanzlers, die Einheit Deutschlands 1990 auf den Weg gebracht zu haben, so hofft Kohl.

Vielleicht aber wird auch die Rolle Kohls während des deutschen Aufbruchs 1989/90 eine neue Bewertung erfahren. Daß nämlich auch in diesen Momenten der Vorteil der eigenen Partei und des persönlichen Machterhaltes im Vordergrund stand. Kohl stand im Jahr 1989 kurz vor dem Machtverlust. Eine Serie von Wahlniederlagen rückten einen Regierungswechsel in greifbare Nähe. Als sich die Mauer öffnete und die Menschen zu Hunderttausenden die Einheit verlangten, griff Kohl machiavellistisch zu und wußte: Er würde an der Macht bleiben, und das für Jahre.

Seine Auftritte in den letzten Tagen untermauern das Bild eines Menschen, dem das Unrechtsbewußtsein schon länger abhanden gekommen ist. Ein Altbundeskanzler, der sich als Vorbild des Bürgers versteht, erklärt allen Ernstes, daß er es im Interesse seiner Partei für richtig ansah, Gesetze zu brechen und Millionenspenden in bar anzunehmen und die Spender bis jetzt bewußt geheim zu halten.

Sich nicht zu schämen, diese Rechtsbrüche auch noch öffentlich zu rechtfertigen, ist bodenlos. Dies läßt das Handeln der Regierung Kohl im Zusammenhang mit den Enteignungen 1945/49 in neuem Licht erscheinen. Hier werfen Betroffene schon seit Jahren Kohl in ganzseitigen Zeitungsanzeigen vor, Volk und Parlament belogen zu haben, um die eigene Partei und den Staat als Hehler zu bereichern.

Kohl repräsentiert die Haltung des Parteipolitikers, der meint "Der Staat bin ich" oder "Der Staat ist meine Partei". Sie brechen Gesetze, sie plündern die Kassen, sie belügen den Bürger, um die Position ihrer Partei gegenüber anderen zu verbessern.

Es wird die Aufgabe demokratischer Politiker sein, für die Zurückdrängung der Parteien und ihrer verfassungswidrigen Machtanmaßung einzutreten und dem Gemeinwohl wieder den höchsten Rang einzuräumen, gemäß dem Motto: "Erst das Land, dann die Partei".


 
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