© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/00 24. Dezember / 31. Dezember 1999


Justiz: In Frankfurt wird gegen sieben ausländische Straftäter verhandelt
Zeugen müssen sich verteidigen
Ellen Kositza

Wenn Delinquenten nach einer schweren Straftat während des Prozesses Reue und Scham über ihre Tat zeigen, so kann dies zwar Konsequenzen für die zu erwartende Strafe haben, die Antipathie außenstehender Prozeßbeobachter wird dadurch selten gemildert. Die scheußliche Tat deutscher Hooligans, die im französischen Lens einen Polizisten brutal verletzt hatten, ist ein jüngeres Beispiel dafür. Äußerten die Schläger auch mit gesenktem Kopf vor Gericht ihr Bedauern und verfolgten den Prozeß mit vor das Gesicht geschlagenen Händen – sie erschienen doch weiter als rabiate Bestien.

Was aber, wenn dem Anschein nach selbst von Reue keine Spur ist? Seit November stehen sieben Männer vor Gericht, denen vorgeworfen wird, am 14. Februar dieses Jahres den Tod des 23jährigen Offenbachers Robert E. herbeigeführt bzw. mitverschuldet zu haben. Als Nebenkläger im Prozeß treten Roberts Eltern sowie seine 27jährige Schwester auf.

Wie die JUNGEN FREIHEIT berichtete, war Robert an jenem Wochenende mit Freunden zu einer Faschingsveranstaltung unterwegs gewesen und wurde am Bahnhof Frankfurt-Griesheim erstochen. Nur der 19jährige Semere T., der dem Opfer die tödlichen Messerstiche zugefügt haben soll, sitzt seit Februar in U-Haft, der mutmaßlich auch zustechende Mittäter Denis T. befindet sich wieder auf freiem Fuß. Auf der Seite der Angeklagten auch die weiteren Griesheimer Schläger, die identifiziert werden konnten: Agron B, Saim A., Mourad O., Pascal L. und Mohamed A. Als einziger der Verdächtigen nimmt Denis T. auf seiten der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger Platz – Sicherheitsgründe werden hier vermutet.

Denis T. als der jüngste und schmächtigste der Griesheimer Bande werde durch seine Freunde bedroht, auch seien entsprechende Briefe, abgesandt von Semere T., beschlagnahmt worden. Bei weiterer Belastung seiner Person, so heißt es, habe der Hauptverdächtige gedroht, im Gerichtssaal Amok zu laufen.

Plaudernd und scherzend sitzen die Angeklagten kurz vor Verhandlungsbeginn auf ihren Stühlen im Frankfurter Gerichtssaal. Grinsen ohne Unterbrechung auf dem Gesicht des Albaners Agron B. Das Haupt mit dem streng nach hinten gegelten Pferdeschwanz stolz erhoben, die Hände in den Taschen seiner Bomberjacke vergraben, verläßt er den Raum, betritt ihn dann wieder, um ihn noch einmal zu verlassen, bis die Verhandlung beginnt. Im bereits zweiten Prozeß um den Mord an Robert E. scheinen die Angeklagten moralischen Aufwind zu wittern,

Semere T.s Versuch am 15. Prozeßtag, sich verhandlungsunfähig erklären zu lassen, scheitert am Urteil der medizinischen Sachverständigen: Augenbrennen und diffuser Schmerz am Brustbein rechtfertige keine Verhandlungsunterbrechung. An den Farbigen erteilt sie den Ratschlag, eine aufrechte Sitzhaltung einzunehmen, dadurch würden die Beschwerden gelindert. Drohende Brustschmerzen wohl auch bei den anderen Angeklagten: Feixend lümmeln sie auf ihren Stühlen, Gesichter in Höhe der Tischkante. Hin und wieder Zwischenrufe, doch heute sind nicht sie gefragt, sondern die Zeugen Boris B. und Mark H., Freunde des Ermordeten. Die Sachlage ist ein wenig verzwickt: Gleichsam als Gegenoffensive hat die Verteidigung der Griesheimer ein Verfahren gegen die Zeugen angestrengt – "Raufhandel mit tödlichem Ausgang" lautet die Anklage, sprich: die Gruppe der jungen Offenbacher (sämtlich ohne Vorstrafen) soll mit den Provokationen begonnen haben. Derart nun selbst in die Täterrolle gedrängt, müssen die Zeugen nicht aussagen, freilich tun sie es dennoch. Nach Mark H.s Aussage pausiert das Gericht eine Viertelstunde, eine Gelegenheit, die Agron B. außerhalb des Saales wahrnimmt, um dem Offenbacher drohend zu versichern, daß seine Aussage "ein großer Fehler" gewesen sei. Nach einigem Zögern meldet der Zivildienstleistende den Vorfall, und bei Agron B., nur auf Duldung in Deutschland, klicken die Handschellen – Verdunklungsgefahr, Untersuchungshaft wird angeordnet. Agron B. begegnet dem Blick der Mutter des Mordopfers. "Ja, glotz, glotz,Du!" fährt der Angeklagte Larissa E. an, die zuvor tränengeschüttelt die Verhandlung verfolgt hatte.

Kaugummikauend auch einer der Schöffen. Als endlich auch die Zeugen, Robert E.s Freunde Boris B. und Mark H., in gleicher Weise ihre Kiefermuskeln beschäftigen, mahnt Richter Schmitz sie ab.


 
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