© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    01/99  01. Januar 1999

 
 
Die UN wurde beschädigt
von Heinrich Lummer

Der Sicherheitsrat tagt und währenddessen bombardieren die USA im Namen dieses Sicherheitsrates, ohne ihn zu informieren, die irakische Hauptstadt Bagdad. Man muß sich das wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Die UN-Beobachter verlassen Bagdad, und ihr Chef Annan hat es nicht angeordnet! Der Irak hat drei von 130 Inspektionsbesuchen abgelehnt – und das führt zum Gewalteinsatz! Im Gegensatz zum Bericht des Herrn Butler hatte übrigens die Wiener Atombehörde festgestellt, daß die Inspektoren duchaus effektiv arbeiten konnten. Man kann es so getrost den Amerikanern überlassen, die Frage zu beantworten, ob der Zeitpunkt des Bombardements etwas mit dem Impeachement-Verfahren zu tun hat. Peinlich wirkt die Beflissenheit von Spitzenvertretern der CDU/ CSU, die die amerikanische Aktion unterstützen und meinen, der Bundesregierung anlasten zu müssen, daß sie die USA nicht ausreichend unterstützt habe.

Wie soll es nun aber weitergehen mit UNSCOM? Es ist schwer vorstellbar, daß Butler noch einmal in den Irak zurückkehrt. Es wird schwer sein, im Sicherheitsrat in absehbarer Zeit einen neuen Beschluß zu erreichen. Und die Aktion wird an der UN nicht spurlos vorübergehen. Wie immer man das juristisch deuten mag, die USA haben die Vereinten Nationen für ihre Zwecke instrumentalisiert. Sie haben offenbar Vorwände für einen Militäreinsatz gesucht. Dafür spricht die Geschwindigkeit, mit der der Butler-Bericht Handlungsgrundlage für die Amerikaner wurde. Französische Zeitungen sprechen in diesem Zusammenhang überdies offen davon, der Bericht sei manipuliert worden. Der Schaden in der arabischen Welt ist unübersehbar. Und am Ende kann Saddam – so pervers das klingen mag – als "moralischer" Sieger aus der Affäre hervorgehen.

Der Vorgang kann nun duchaus die Wirkung eines Präzedenzfalles haben. Schließlich hat hier eine Großmacht die UN-Resolutionen zumindest eigenständig interpretiert, wenn nicht gar mißachtet. Damit stellt sich die Frage, ob der Sicherheitsrat seine Bedeutung behalten kann, wenn die Definition der Gefahr und die Bestimmung des Einsatzes in das Belieben einer Großmacht gestellt wird. Genau so könnten sich Rußland und China in ihren Einflußgebieten berechtigt erklären, zum Schutz ihrer Interessen vorzugehen. Immerhin hatte Clinton in seiner Rede die Gewaltanwendung mit "vitalem amerikanischen Interesse" gerechtfertigt.


 
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