© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


Bewährungsprobe
von Bernd-Thomas Ramb

1999 soll wohl, zumindest in seiner ersten Hälfte, ein Jahr des deutschen Europas werden. Nachdem es Kohl über Jahrzehnte gelungen war, Deutschland ebenso auf Europa zu trimmen, wie Europa vor dem Einfluß der Deutschen zu schützen, abgesehen von seiner und Waigels generösen Gestaltung der deutschen Beitragspflicht zur EU, ist nun im Jahre 1 des Euros das Denken an deutsche Interessen angesagt. Zu diesem Schluß verführen die forschen Ankündigungen des EU-Novizen Schröder, der als deutscher Kanzler mit Jahresanfang die EU-Präsidentschaft übernommen hat. Nicht übel dürfte in den gescholtenen deutschen Stammtischrunden seine Kunde aufgenommen werden, Deutschland habe seine Beitragszahlungen zu reduzieren, eine EU-Erweiterung ohne EU-Finanzreform dürfe es nicht geben. So etwas kann sich halt nur ein sozialdemokratischer Bundeskanzler erlauben, der durch die Gnade der Parteizugehörigkeit vor der Faschismuskeule geschützt ist.

Dabei hat der neonational denkende Bundeskanzler ohnedies eine turbulente EU-Amtszeit vor sich. Die Einführung des Euros ist zu verkraften, die dabei entlarvten Lücken des Maastricht-Vertrags zu stopfen, die Maastricht-Nachfolgeverträge sind mit dem berühmten europäischen Leben zu erfüllen, die Osterweiterung der EU ist im Auge zu behalten (weil dies der grüne Koalitionspartner will), ohne sie in den konkreten Blick zu bekommen (weil sie so nicht finanzierbar ist) und die "Agenda 2000", das große Reformwerk der europäischen Agrar- und Strukturpolitik, aus der "krisenhaften Verdichtung der Streitpunkte" (Außenminister Fischer) zu lösen.

Nach dem bewährten EU-Motto: "Wenn schon ein Problembereich nicht lösbar ist, schaffe wenigstens einen neuen" läßt sich der geplante europäische Beschäftigungspakt trefflich als Nebenkriegsschauplatz entwickeln. Fraglich bleibt, ob Schröder dabei auch fest in seiner Weigerung bleibt, den deutschen EU-Beitrag weiter zu erhöhen. Denn eine europastaatliche Beschäftigungspolitik kostet Geld, und die Europäische Union neigt dazu, bei der Frage, wer die Zeche bezahlen soll, in immer die gleiche Richtung zu schauen. Zudem werden die eingefahrenen Machtstrukturen der EU-Bürokratie dafür sorgen, daß Schröder als Greenhorn in der Ministerpräsidentenrunde rechtzeitig die nationalen Hörner gestutzt werden. Auch Schröder, so ist zu befürchten, wird dem kollektivistischen Geist von Maastrich nicht entrinnen. Dazu ist der europäische Sozialismus bereits zu weit entwickelt.


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