© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/99 08. Januar 1999


CD: POP
Nachempfindungen
Peter Boßdorf

VAWS, jener Musikverlag also, der bereits mit einem Riefenstahl-Sampler für Überraschung sorgte, hat nun noch eins draufgesetzt und eine Kompilation veröffentlicht, die ausgerechnet dem Bildhauer Josef Thorak gewidmet ist. Ausgerechnet?

Ein Zweck der Publikation scheint es offenbar zu sein, eben derartige, flott von den Lippen gehende Invektiven gegen einen Künstler zu relativieren, dessen Nachruhm vom Nationalsozialismus verschüttet wurde. Thorak, so die Argumentation, war bereits eine Berühmtheit, bevor das Regime errichtet war, sein künstlerischer Werdegang ist in einen anderen Zusammenhang zu stellen als in den politisch motivierter Auftragskunst. Für so viel Rehabilitierung reicht tatsächlich eine biographische Skizze aus, die als eine Art Begleitbroschüre erhältlich ist.

Die CD selbst hält sich streng an das Werk: Wie wirken seine (in der Regel nur fotografisch überlieferten) Objekte auf Musiker von heute? Es scheint, daß sich diejenigen, die zu diesem Projekt beitrugen, diese Frage tatsächlich gestellt haben und nicht nur in die Mottenkiste zur Veröffentlichung bestimmter, aus guten Gründen bislang nicht veröffentlichter Tracks gegriffen wurde. Das Ergebnis ist ein ausgesprochen homogener Gesamteindruck, das Bemühen um eine niederfrequente Nachbildung der Werke Thoraks ist dabei nachzuvollziehen. Es herrscht eine getragene, das Pathetische keineswegs meidende Atmosphäre vor, dabei wird auch jener Minimalismus im Monumentalen spürbar, den Alfred Hrdlicka im Werk von Arno Breker bemerkte und der Josef Thorak in potenzierter Form zu konzendieren ist. Die Klangwelten, die die Musiker sich abringen, sind allerdings wohl kaum dem Salzburger allein geschuldet, schließlich lassen die Genres, aus denen sie kommen, kaum etwas anderes zu. Ein Teil der Prominenz (so Death In June und Forthcoming Fire) war schon auf dem Riefenstahl-Sampler zu finden, neu hinzugestoßen ist u. a. das japanische Duo Jack Or Jive, das hat auch gleich einen der bemerkenswertesten Beiträge beisteuert.

Der Überraschungseffekt, für den die thüringische Band Menhir mit ihrer Mini-CD "Buchonia" (Ars Metalli/ RTD) sorgt, liegt weniger in den Sujets, in denen man sich süffig und vital bewegt, als in der Art und Weise, in der man sie anklingen läßt. Das eigentliche Metier ist etwas, das Pagan Metal genannt wird, und Menhir gilt in Deutschland als tonangebend. Die vier hier versammelten Stücke lassen eine folkloristische Facette aufblitzen, die von den Musikern als so ganz anders nicht betrachtet wird: "Das Leben und der Glauben der Vorfahren" soll zum Ausdruck gebracht, "ganz ohne Scheuklappen und gefühlsduselige Neo-Esoterik", wie betont wird, und dazu ist ein Arrangement, das auf traditionelle Instrumente setzt, sicher nicht unangemessen. "Buchonia" gelingt es, ein kompaktes Stimmungsbild zu suggerieren, das manchmal sogar aus dem vollen Leben gegriffen zu sein scheint und vor allem die Geschmacksuntiefen religiösen Bekennertums meidet. Lediglich das Lied "Falkenburgstein" entgleitet der Kontrolle – hier hat man sich ein wenig zu reichlich im Arsenal romantischer Metaphern bedient. Dies kann den Gesamteindruck allerdings nicht beeinträchtigen: Die avisierte Berührung mit dem Neo-Folk ist gelungen – am nächsten dürfte man dabei, insbesondere hinsichtlich des hartnäckigen Bemühens um ein Nachempfinden der Altvorderen, Fire & Ice geraten sein.


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